Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1896. (30)

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§. 1959. 
Besorgt der Erbe vor der Ausschlagung erbschaftliche Geschäfte, so ist er dem- 
jenigen gegenüber, welcher Erbe wird, wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag berechtigt 
und verpflichtet. 
Verfügt der Erbe vor der Ausschlagung über einen Nachlaßgegenstand, so 
wird die Wirksamkeit der Verfügung durch die Ausschlagung nicht berührt, wenn die 
Verfügung nicht ohne Nachtheil für den Nachlaß verschoben werden konnte. 
Ein Rechtsgeschäft, das gegenüber dem Erben als solchem vorgenommen werden 
muß, bleibt, wenn es vor der Ausschlagung dem Ausschlagenden gegenüber vor- 
genommen wird, auch nach der Ausschlagung wirksam. 
§. 1960. 
Bis zur Annahme der Erbschaft hat das Nachlaßgericht für die Sicherung 
des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfniß besteht. Das Gleiche gilt, wenn der 
Erbe unbekannt oder wenn ungewiß ist, ob er die Erbschaft angenommen hat. 
Das Nachlaßgericht kann insbesondere die Anlegung von Siegeln, die Hinter- 
legung von Geld, Werthpapieren und Kostbarkeiten sowie die Aufnahme eines Nachlaß- 
verzeichnisses anordnen und für denjenigen, welcher Erbe wird, einen Pfleger (Nach- 
laßpfleger) bestellen. 
Die Vorschrift des §. 1958 findet auf den Nachlaßpfleger keine Anwendung. 
§. 1961. 
Das Nachlaßgericht hat in den Fällen des §. 1960 Abs. 1 einen Nachlaß- 
pfleger zu bestellen, wenn die Bestellung zum Zwecke der gerichtlichen Geltend- 
machung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlaß richtet, von dem Berechtigten 
beantragt wird. 
§. 1962. 
Für die Nachlaßpflegschaft tritt an die Stelle des Vormundschaftsgerichts das 
Nachlaßgericht. 
§. 1963. 
Ist zur Zeit des Erbfalls die Geburt eines Erben zu erwarten, so kann die 
Mutter, falls sie außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten, bis zur Entbindung 
standesmäßigen Unterhalt aus dem Nachlaß oder, wenn noch andere Personen als 
Erben berufen sind, aus dem Erbtheile des Kindes verlangen. Bei der Bemessung 
des Erbtheils ist anzunehmen, daß nur ein Kind geboren wird. 
§. 1964. 
Wird der Erbe nicht innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist er- 
mittelt, so hat das Nachlaßgericht festzustellen, daß ein anderer Erbe als der Fiskus 
nicht vorhanden ist. 
Die Feststellung begründet die Vermuthung, daß der Fiskus gesetzlicher Erbe sei.
	        
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