Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1898. (32)

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Stimmen den zunächst minder nachtheiligen so lange hinzugerechnet, bis sich nach 
Vorschrift des ersten Absatzes eine Entscheidung herausstellt. Ist es zweifelhaft, 
welche der Meinungen die nachtheiligere ist, so muß hierüber besonders ab— 
gestimmt werden. 
§. 323. 
Zu einer jeden dem Angeklagten nachtheiligen Entscheidung, welche die 
Schuldfrage betrifft, ist eine Mehrheit von zwei Drittheilen der Stimmen er- 
forderlich.  
Die Schuldfrage begreift auch solche von dem Strafgesetze besonders vor— 
gesehene Umstände, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen. 
Die Schuldfrage begreift nicht die Voraussetzungen des Rückfalls und der 
Verjährung. 
§. 324. 
Bei den Standgerichten richtet sich die Reihenfolge der Abstimmenden nach 
dem Dienstrange; der Jüngste im Range stimmt zuerst. 
Bei den Kriegsgerichten stimmt der die Verhandlungen führende Kriegs- 
gerichtsrath zuerst; die übrigen Richter stimmen in der für die Standgerichte 
vorgeschriebenen Reihenfolge. Wirken außer dem bezeichneten Kriegsgerichtsrathe 
noch andere Militärbeamte als Richter mit, so stimmen diese vor den Offizieren. 
§. 325. 
Bei der Berathung und Abstimmung dürfen außer den zur Entscheidung 
berufenen Richtern nur die bei demselben Gerichte zu ihrer juristischen Ausbildung 
beschäftigten Personen zugegen sein, soweit der Vorsitzende deren Anwesenheit 
gestattet. 
Ueber den Hergang bei der Berathung und Abstimmung ist von den dabei 
anwesenden Personen Stillschweigen zu beobachten. 
§. 326. 
Wird der Angeklagte verurtheilt, so müssen die Urtheilsgründe die für er- 
wiesen erachteten Thatsachen angeben, in welchen die gesetzlichen Merkmale der 
strafbaren Handlung gefunden werden, und die nähere Darlegung enthalten, 
weshalb diese Thatsachen für erwiesen erachtet worden sind. 
Waren in der Verhandlung solche vom Strafgesetze besonders vorgesehene 
Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern 
oder erhöhen, so müssen die Urtheilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese 
Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden. 
Die Gründe des Strafurtheils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte 
Strafgesetz bezeichnen und sollen die Umstände anführen, welche für die Zumessung 
der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz die Anwendung 
einer geringeren Strafe von dem Vorhandensein mildernder Umstände oder eines 
minder schweren Falles abhängig, so müssen die Urtheilsgründe die hierüber
	        
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