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§. 16.
Das Disziplinarverfahren besteht in einem schriftlichen Ermittelungsverfahren
und in einer mündlichen Verhandlung.
§. 17.
Mit der Vornahme der Ermittelungen wird von dem Vorsitzenden des
Disziplinargerichts ein Mitglied des letzteren beauftragt.
Das Ermittelungsverfahren hat den Zweck, den Sachverhalt soweit auf-
zuklären, daß eine Entscheidung darüber getroffen werden kann, ob das Verfahren
einzustellen, oder die Sache zur Hauptverhandlung zu verweisen sei.
Der Beschuldigte wird unter Mittheilung der Beschuldigungspunkte vor-
geladen und der Vertreter der Staatsanwaltschaft zugezogen. Sie werden, wenn
sie erscheinen, mit ihren Erklärungen und Anträgen gehört.
Die Zeugen werden, nach Befinden eidlich, vernommen und die sonstigen
Beweise erhoben.
Den Vernehmungen der Zeugen darf weder der Vertreter der Staats—
anwaltschaft noch der Beschuldigte beiwohnen.
Die Verhaftung, vorläufige Festnahme oder Vorführung des Beschuldigten
ist unzulässig.
§. 18.
Ueber jede Untersuchungshandlung ist ein Protokoll unter Beobachtung der
im §. 163 der Militärstrafgerichtsordnung enthaltenen Vorschriften aufzunehmen.
§. 19.
Erachtet der mit Vornahme der Ermittelungen beauftragte Richter die
Untersuchung für geschlossen, so legt er die Akten dem Vertreter der Staats—
anwaltschaft vor.
Beantragt dieser eine Ergänzung der Ermittelungen, so hat der Unter—
suchungsführer, wenn er dem Antrage nicht stattgeben will, die Entscheidung des
Disziplinargerichts einzuholen.
§. 20.
Nach geschlossenem Ermittelungsverfahren ist dem Beschuldigten der Inhalt
der erhobenen Beweismittel mitzutheilen. Darauf werden die Akten dem Ver-
treter der Staatsanwaltschaft zur Stellung seiner Anträge vorgelegt.
§. 21.
Auf Grund der Ergebnisse des Ermittelungsverfahrens hat hinsichtlich der
Mitglieder des Reichsmilitärgerichts der Präsident desselben im Einverständnisse
mit dem Vorsitzenden des Disziplinarhofs, im Uebrigen die oberste Behörde der
Militärjustizverwaltung darüber zu befinden, ob der Beschuldigte außer Verfolgung
zu setzen und das Verfahren einzustellen, oder ob die Sache zur Hauptverhandlung
zu verweisen sei.
Reichs= Gesetzbl. 1898. 198