Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1902. (36)

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§. 127. 
Der Kapitän ist ermächtigt, jederzeit die Sachen der Schiffsleute, welche 
der Betheiligung an einer strafbaren Handlung verdächtig sind, zu durchsuchen. 
Der Kapitän ist ferner ermächtigt, denjenigen Schiffsmann, der sich einer 
der im §. 70 Nr. 3 und im §. 93 Abs. 2, 3 bezeichneten strafbaren Handlungen 
schuldig macht, festzunehmen. In den Fällen des §. 70 Nr. 3 ist er hierzu ver- 
pflichtet, wenn das Entweichen des Thäters zu besorgen steht. In den Fällen 
des §. 93 Abs. 2, 3 ist von einer Einsperrung abzusehen, sofern sich das Schiff 
auf hoher See befindet.  
Der Thäter ist unter Mittheilung der aufgenommenen Verhandlungen an 
dasjenige Seemannsamt, bei welchem es zuerst geschehen kann, abzuliefern. 
Wenn im Auslande das Seemannsamt aus besonderen Gründen die Uebernahme 
ablehnt, so hat der Kapitän die Ablieferung bei demjenigen Seemannsamte zu 
bewirken, bei welchem es anderweit zuerst geschehen kann. 
In dringenden Fällen ist der Kapitän, wenn im Ausland ein Seemanns- 
amt nicht rechtzeitig angegangen werden kann, ermächtigt, den Thäter der 
fremden Behörde behufs dessen Uebermittelung an eine zuständige deutsche Behörde 
zu übergeben. Hiervon hat er bei demjenigen Seemannsamte, bei welchem es 
zuerst geschehen kann, Anzeige zu machen. 
Sechster Abschnitt. 
Allgemeine Vorschriften. 
§ 128. 
Jedes Seemannsamt ist verpflichtet, die gütliche Ausgleichung der zu 
seiner Kenntniß gebrachten, zwischen dem Kapitän und dem Schiffsmanne be- 
stehenden Streitigkeiten zu versuchen. Insbesondere hat das Seemannsamt, vor 
welchem die Abmusterung des Schiffsmanns erfolgt, hinsichtlich solcher Streitig- 
keiten einen Güteversuch zu veranstalten. 
§. 129. 
Der Schiffsmann darf den Kapitän vor einem ausländischen Gerichte 
weder strafrechtlich noch civilrechtlich belangen, sofern gegen ihn ein Gerichtsstand 
im Inlande begründet ist. Handelt er dieser Bestimmung zuwider, so ist er 
nicht allein für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich, sondern er 
wird außerdem der bis dahin verdienten Heuer verlustig. 
Er kann in den Fällen, die keinen Aufschub leiden, die vorläufige Ent- 
scheidung des Seemannsamts nachsuchen. Die Gelegenheit hierzu darf der 
Kapitän ohne dringenden Grund nicht versagen. Auch dem Kapitän steht unter 
denselben Voraussetzungen, wie dem Schiffsmanne, die Befugniß zu, die Ent- 
scheidung des Seemannsamts nachzusuchen. 
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