82 Das Staatsbürgerrecht. (8. 53.)
ist dies zu eng. Treue ist immer etwas Positives, also auch „juristisch“ und der
Kernpunkt der staatsrechtlichen Treuepflicht ist der positive Schutz des
Staates durch seine Angehörigen in der Form des Militärdienstes. Weil
der Fremde dem Aufenthaltsstaat nur Gehorsam, nicht Treue schuldet, braucht er keinen
Militärdienst zu leisten. Nach dieser „positiven“ Richtung bedarf auch die Labandsche
Lehre von der Treuverpflichtung noch der weiteren Ausgestaltung. Wie der Staat
seinerseits seinen Angehörigen gegenüber eine absolute Treuepflicht hat,
die in dem zu gewährenden Schutze im Inland wie im Ausland sich äußert
und von der der Staat sich niemals durch Auslieferung oder Ausweisung
oder Aberkennung des Baterlandes entbinden kann, so hat der Staats—
angehörige dem Staate gegenüber die gleiche Treuepflicht, deren Erfül—
lung eventuell den Einsatz und die Aufopferung des Lebens fordert. Diese
Gedanken sind auf den Staatsfremden unanwendbar und sie sind keineswegs nur ethischer,
sondern auch rechtlicher Art. Der Staatsfremde kann ausgeliefert und ausgewiesen
werden: der Staat hat ihm gegenüber keine Treuepflicht; der Fremde braucht keine Ehren-
ämter zu übernehmen, keinen Militärdienst zu leisten: der Fremde hat dem Staat gegen-
über keine Treuepflicht. Das Verhältnis des Fremden zum Staate erschöpft
sich in dem negativen Momente des Gehorsams: der Fremde darf die Ge-
setze nicht verletzen, der Staat andererseits sorgt für die Zeitdauer des
Aufenthaltes des Fremden im Staatsgebiet dafür, daß ihm gegenüber die
Gesetze nicht verletzt werden. 1
Das Verhältnis des Staatsangehörigen zum Staate dagegen beruht
auf dem positiven Moment der Treue?: der Fahneneid des Soldaten ent-
hält zwar die Ubernahme der unbedingten Gehorsamspflicht, aber er ist in
seinem Kernpunkt ein Eid der Treue gegen den obersten Kriegsherrn für
Leben und Todz; alle strafrechtlichen Delikte gegen den Staat und das
Staatsoberhaupt sind begrifflich ein anderer Tatbestand, je nachdem sie
von Staatsangehörigen oder von Fremden begangen werden; Fremde schul-
den unserem Staat und der Majestät des Staatsoberhauptes keine Treue;
die von ihnen begangenen Delikte gegen den Staat sind zu bestrafen aus
äußeren Gründen der Staats= und Rechtsordnung, die ihnen zugrunde
liegende Absicht aber ist immer eine andere, als die Absicht der Staats-
an gehörigen bei Begehung der nämlichen Delikte.) Unser Reichsstrafgesetzbuch trägt
diesen ethischen und nationalen Gesichtspunkten nicht die genügende Rechnung, sondern
überläßt die Würdigung dieses Momentes lediglich der Strafausmessung, was als ein
schwerer gesetzgeberischer Fehler bezeichnet werden muß.“
In Hinsicht der aus dem Bundesstaat sich für diese Gruppe von Delikten ergeben-
den Momente 5 ist hier lediglich zu bemerken, daß der Kaiser den Majestätsschutz als
Staatsoberhaupt im ganzen Reiche genießt, sowohl für Beleidigungen wie Hochverrat;
in betreff des strafrechtlichen Schutzes der Bundesfürsten ist auf die Darstellungen des
Reichsstaatsrechtes und des Strafrechtes zu verweisen.
Die durch das Untertanenverhältnis begründete Treuepflicht hört auch
nicht auf durch Aufenthalt im Auslande; zwar hört hierdurch die Gehorsamspflicht
gegen die Gesetze des Staates in der Hauptsache auf, einerseits wegen Mangels der
1 Weder in der staats= noch in der privat-
rechtlichen Lit. sind die grundsätzlichen Momente
bezüglich der Rechtsstellung der Fremden bis jetzt
genügend festgestellt; man begnügt sich mit Auf-
zählung von Einzelpunkten, so selbst Gierke, D.
Priv. R. 1, §. 56, von dem die Würdigung des
grundsäulichen Unterschiedes der Rechtsstellung
von Staatsangehörigen und Fremden am ehesten
zu erwarten war.
A. A. Bornhak, Pr. St. R., Bd. I., S.
240, der nur eine ethische, keine juristische Treue-
pflicht anerkennt, ebenso Ehrenberg in Deutsche
Rundschau, X, S. 51 ff.; G. Meyer, St.
R., 5. Aufl., S. 739 f., sowie die dort N. 1
angegebenen Schriftsteller, s. dort auch weitere
Literatur.
s Laband, Bd. 1, S. 130, bes. N. 2;
Schütve, Strafrecht, S. 225 ff.
* Vgl. Heinze, staatsrechtl. u. strafrechtl. Er-
örterungen, S. 64 ff.; Laband, B)d. I, S. 136.
5 Vgl. bes. Laband, Bd. 1, S. 131 ff.