Friedenshoffnungen schlösse. Seine Minister folgten
ihm nicht. Aber ist dieser letzte Zwischenfall nicht be-
zeichnend? (Cailllanz devant la Haute-Cour, Seite 222.)
Die französische Regierung mußte ganz bestimmte Rüciichten
auf das französische Volk nehmen. Das autokratische Rußland war
der Bevölkerung von Rußland und, wie sich zeigte, auch der Duma
sicher. Aber das republikanische Frankreich war noch nicht der
Stimmung von Paris und auch nicht der Kammer sicher. Es galt,
wie Jswolski an Sasonoff telegraphierte, „die französische
öffentliche Meinung auf die Notwendigkeit vorzubereiten, an dem
Kriege teilzunehmen"“. Zu dem Zwecke verheimlichte die franzö-
sische Regierung dem französischen Volke zunächst die Tatsache,
daß Rußland seine Gesamtmobilmachung nunmehr erklärt hatte.
Zu dem Zwe ab sie durch die “ e nur bekannt, daß in
eutschland der „Zustand der Kriegsgefahr“ erklärt worden sei, ver-
schwieg aber der Offentlichkeit, daß diese Erklärung die Antwort
auf die Mobilmachungserklärung der Russen gewesen war. Ja,
der Ministerpräsident Viviani hatte die Stirn, dem deutschen Bot-
chafter, als dieser ihn auf die furchtbaren Folgen einer russischen
obilmachung hinwies, am Abend des 31. Juli zu entgegnen, er
wisse von dieser Mobilmachung nichts — obwohl seit dem Morgen
desselben Tages die Bestätigung aus Petersburg durch eine
Depesche von Paléologue vorlag. Als am 1. August der Geschäfts-
träger der Schweiz in Paris auf dem Auswärtigen Amt vorsprach
und einen letzten Schritt unternahm, um den Frieden zu erhalten,
da erhielt er von dem Stellvertreter des Ministers, Mr. Philippe
Berthelot, die heuchlerisch--bedauernde Antwort:
Es ist zu spät! (liumanité vom 9. Juni 1921.)
— obwohl es hoch nicht zu spät gewesen wäre. Aber das Frank-
reich Poincarés wollte den europäischen Krieg. Und es wollte
von Frieden nichts mehr hören. Auf welche Weise er gleichwohl
auch von Frankreich aus zu erhalten gewesen wäre, das hat Jean
Jaures zwei Tage vor seinem Tode in einem Brief an Van
der Velde gezeigt:
Die Lage würde eine Entspannung erfahren, sobald
die franösif che Regierung erklärte, daß sie die serbische
Angelegenheit nicht als eine russische ansieht. Es läge
in der Macht der französischen Regierung, Rußland am
Kriege zu hindern. Aber man sucht den Krieg, den man
schon lange geschürt hat. Hier treiben alle schädlichen
Kräfte zum Kriege, den man will, weil ein krankhafter
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