Außerdeutsche Länder — Rufßland. 255
lichkeit vor Gottes Gericht fürchten für die Gleichgiltigkeit gegen den Ruhm
des Glaubens Jesu Christi, gegen die Freiheit seiner Kirche und die Sicher-
heit und das Seelenheil der Gläubigen, und deshalb bitten wir Ew. Er-
cellenz als Statthalter des Königs, in unserem Namen und in dem der
ganzen polnischen Geisllichkeit, sowie aller Gläubigen unsere folgende ge-
horsamste Bitte vor den Thron Sr. k. k. Majestät bringen zu wollen, mit
dem Bemerken, daß wir, wiewol wir oder unsere Vorgänger mit Verletzung
unseres Gewissens und Beeinträchtigung unserer seelenhirtlichen Würde die,
die heiligen Rechte der Kirche schmälernden Verfügungen angenommen haben,
nicht länger in dieser sündhaften Gleichgiltigkelt beharren können, um so
weniger, da sich die traurigen Folgen dieser Abhängigkeit bereits deutlich
gezeigt und die Person eines von den Bischöfen betroffen haben: deshalb
fühlen wir als unsere Gewissenspflicht, folgende Bitte zu stellen:
1) daß der römisch-katholischen und der griechisch-unirten Religion ihre
alte Bedeutung zurlücgegeden werde; 2) daß die Artikel des Criminalgesetz-
buches 193, 195—199, sowie die Art. 200 und 201 des Ehegesetzes von
1836, als aller Tolcranz zuwiderlaufend, abgeschafft werden (die ange-
führten Artikel des Strafgesetzbuches handeln von den Strafen für Bekeh-
rung von russisch-griechischen Christen zu andern Confessionen) u. dgl.;
3) daß die Regierungsverordnungen, welche den Grundsätzen der römisch-
katholischen Kirche und dem Geiste des Evangeliums zuwiderlaufen, für un-
giltig erklärt werden (solgt das Citat dreier solcher Verordnungen); 4) daß
die Regierungscommission des Cultus in ihren Beziehungen zur Kirche auf
die rein administrativen Gegenstände beschränkt werde, ohne sich in Gottes-
dienste, Prozessionen, Predigten, Ritual u. dgl. mischen zu dürfen; 5) daß
bei jener Regierungscommission zur Entscheidung kirchlicher Angelegenheiten
und Personalien eine geistliche Abtheilung unter dem Vorsitz des Erzbischofs
und der Mitwirkung von Bischöfen und andern hohen Geistlichen errichtet
werde; 6) daß es jedem Bischof gestattet werde, Diöcesansynoden, Jubiläen
und geistliche Missionen abzuhalten; 7) daß die vacanten Bischofsitze
schleunigst wieder besetzt werdenz 8) daß die Anzahl der Alumnen in den
Seminarien, sowie der Mönche und Nonnen in den Klöstern nicht länger
beschränkt werde; 9) daß die Fonds bei auswärtigen Academicen, wohin
Zöglinge aus dem Inlande gesandt werden konnten, wieder hergestellt wer-
den; 10) daß in jeder Diöcese von den Suppressionsfonds ein Haus für
emeritirte Priester errichtet oder von jenen Geldern jedem solchen Priester
eine Pension von wenigstens tausend Gulden poln. ausgeworfen werde;
11) daß das Institut für emeritirte Priester auf dem Kahlenberge nach dem
Bedürfniß und Vorschlag der Bischöfe reorganisirt werde; 12) daß die
Cultuscommission nur im Einvernehmen mit der geistlichen Behörde die
geistlichen und supprimirten Fonds verwenden dürfe und zwar nach der
Bulle Pius VII. vom Jahre 1818 zur Dotirung von Kathedral= und
Collegialkirchen, Consistorien, Seminarien und Benefizien; 13) daß es den
Diöcesanbehörden erlaubt werde, über geistliche Bedürfnisse sich mit dem
apostolischen Stuhl in direkten Verkehr zu setzen; 14) daß die Vorschriften
über Errichtung und Restauration von Kirchen als sehr erschwerend abge-
ändert werden; 15) daß bei den Verzeichnissen der geistlichen Fonds neue
zweckmäßigere Grundsätze eingeführt werden und endlich 16) daß die arre-
tirten oder aus dem Lande fortgeführten Geistlichen in ihre Functionen
wieder eingesetzt und fernerhin keiner ohne Vorwissen der geistlichen Be-
hörde verhastet werde“.
Die Annahme der Adresse wird vom Statthalter verweigert.
30. Sept. Aufruf der Agitationspartei in Warschau zu einem Ver-
brüderungsfest in Horodlo, bei Lublin, auf den 10. Oktober.