Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiter Jahrgang. 1861. (2)

Uebersicht der Errignisse des Jahres 1861. 333 
begann, wurde von ihm mit mißtrauischen Augen überwacht und als seine 
Schutzbefohlenen die Jonier der 7 Juseln am 12. März in ihrer Antwort 
auf die Botschaft des Lord-Obercommissärs bei Eröffnung des dortigen 
Parlaments laut ihre Unabhängigkeit vindizirten und ihre Vereinigung 
mit Griechenland begehrten, vergaß die englische Regierung die Grundsätze, 
die sie bei Gelegenheit der gelungenen Umwälzung in Neapel vor ganz 
Europa geltend gemacht hatte, wies das Begehren der Jonier zurück und 
vertagte das Parlament derselben. Aber keine Macht war im Stande, 
die Fortschritte, welche das Unabhängigkeitsstreben der der osmanischen 
Herrschaft bereits entwachsenen christlichen Völkerschaften im Norden der 
Balkanhalbinsel machte, aufzuhalten. 
Der Tod des Sultans Abdul-Medjid, der, obwohl voll guten Wil- 
lens und der Cirilisation des Westens zugethan, seine Kraft in den Ge- 
nüssen des Harems verschwendet hatte, änderte wenig in den innern Zu- 
ständen des Reichs. Sein Bruder Abdul-Azis, der ihm folgte, machte 
wohl einen Anlauf zur Beseitigung mancher Uebelstände, scheint aber bereits 
wieder mehr und mehr der hergebrachten Schlaffheit, dem Regiment der 
Günstlinge und der Verschleuderung der Finanzen zu verfallen. Der all- 
mäligen Auflösung vermag er so wenig wie sein Vorgänger zu widersiehen. 
In den Donaufürstenthümern hatte die Pforte bereits die Vereinigung 
der Moldau und der Walachei unter einem und demselben Hospodaren, 
dem Fürsten Conza, zugestehen müssen. Nun verlangte dieser auch die 
Verschmelzung beider Fürstenthümer selbst und die Pforte mußte zu An- 
fang Dezembers auch dies gestatten, dech ausdrücklich nur für die Lebenszeit 
des Fürsien Couza und unter einigen andern ihre Oberhoheit noch einiger- 
maßen schützenden Bedingungen. Am 23. Dez. verkündigte indeß der 
Fürst Couza durch Proclamation die Vereinigung beider Fürstenthümer 
unter dem Namen Romänien, ohne der Bedingungen, die die Pforte daran 
geknüpft, auch nur mit einem Worte zu gedenken. Und noch weniger 
thaten es die Kammern in ihren Antwortsadressen an den Fürsten; die- 
jenige der Moldau erklärte die Union vielmehr sofort für eine „ewige“ 
und die der Walachei für eine solche, die „fortan nur noech gleichzeitig 
mit dem Leben von fünf Millionen Romanen zertrümmert werden könne". 
Der Pforte blieb nichts anderes übrig, als ohnmächtig dagegen wenigstens 
zu pretestiren. Noch unabhängiger benahm sich Serbien, wo eine vom 
Fürsten einberufene Nationalversammlung auf seinen Antrag gegen die 
unzweifelhaften Bestimmungen der Tractate eine organisirte Volksbewass- 
nung unter dem Namen einer Nationalmiliz beschloß, und Fürst, Regierung
	        
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