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Erläuterungen ?).
Londoncr Börse. Die Bewegung der Curse war während des ganzen
Jahres fast ansschließlich von der Lage und den Aussichten des Geldmarktes abhängiz
und zeigte sich, wie vielleicht noch nie, für die politischen Einflüsse ganz unempfänge
lich. Die Parlamentssitzungen, die Haltung Frankreichs und Rußlands, die Vor-
gänge in Dentschtand und Italien, die Agitationen in Polen, Ungarn und der
Türkei, so sehr sie die Politiker und die Parteien beschäftigten, übten keine fübl.
dare Rückwirkung auf die Curse und wurden von der Speculation und Agiolage nur
wenig ausgebeutet. Die Intervention in Merico machte sich nur bei den mericanl-=
schen Fonds selbst geltend. Sogar der großartige Bürgerkrieg, der in Nordamerika
ausbrach, machte keine Ausnahme; sein Einfluß auf die Fonds hatte einen rein
c#ommerciellen Character und das politische Moment trat völlig zurück vor den sicht-
baren Wirkungen auf den Getreide= und Baumwollenmarkt, auf den Wechselceurs
und auf die Handelsbilanz. Bis zum 27. November, wo die Nachricht von der
Trentassaire wie cin Blitz aus heiterem Himmel einschlug und den Character und
die Stimmung des Geschäftsverkehrs für einen Augenblick vollständig änderte, folg-
ten die Curse den legitimen Gesetzen des Angebots und der Nachfrage, welche sich
f. die gegenwärtige oder voraussichtliche Gestaltung des Geldmarktes basirten und
wenig um Times-Artikel und ausländische Telegramme kümmerten. Im Beginne
des Jahres 1861 stand der Disconto bei der Bank auf 6%. Die schlimmen Folgen
der Mißernte des Jahres 1860 machten sich durch einen starken Abfluß des Goldes
nach Amerika fühlbar, von wo große Massen Getreide herkamen, um den Bedarf
in England zu befriedigen. Nicht minder verschloß die Einführung des Morilltarifs
ekinem großen Theile europäischer Waaren den amerikanischen Markt, was noch
weiter dazu beitrug, die Handelsbilanz zu Ungunsten Europas zu stellen. Um die
Sache noch schlimmer zu machen, setzten trotz aller bedenklichen Aussichten die Kari-
tälisten in England ihre bedeutenden Ankluse von amerikanischen Actien fort, was
den Goldabfluß noch mehr anregte. Auch die Lage der Dinge in Frankreich erregle
Besorgniß, indem die Ausweise der französischen Bank zu Anfang des Jahres eine
Berminderung bes Baarvorraths um 83 Milll. Fr. darlegten. Am 7. Januar schen
erhöhte darum die englische Bank ihren Disconto auf 74, um dem Goldadftuß
Einhalt zu khun. Aber auch diese Maßregel erwies sich für wirkungslos. Am
14. Febr. wurde der Discont sogar auf 8“ erhöht. Die Consols waren unter die-
sem Umständen erst auf 911. dann auf 919gesallen. Vom März an verbesserte sich
indeß die Lage, das Geld begann wieder zuzufließen und der Disconto konnte allmählig
wieder auf 7, 6 u. 5 7 herabgesetzt werden. Man trug sich in den ersten Wcchen
der Regierung des Präsidenten Lincoln mit der festen Hoffnung, daß seine Mäßigung
noch einen Krieg in Amerika vermeiden würde und Consols stiegen wieder au 92.
Gegen den Schluß Aprils kamen die Nachrichten von dem Bomdardement des Fort
Sumter und des thatsächlichen Beginns der Feindseligkeiten in Amerika an. Ame-
rikanische Actien, welche sich bis zu dieser Zeit festgehalten hatten, gaben jetzt auf
einmal nach und erlitren einen Fall, von! dem sie sich nicht wieder erholten. Ale
Curse begannen üÜberhaupt wieder zu fallen, das Geld wieder rarer zu werden und
am 16. Mai mußte der Discont neuerdings auf 6# erhöht werden. Im ganzen
Juni und cinem großen Theile des Jult war die Ebbe am Geldmarkt schwer
fühlbar, zumal die Korn= und Getreideimporte immer noch fortwirkten. Erst Mitte
Juli trat ein Wendepunkt ein. Wäre die Ernte von 1861 ebenso schlecht wie die
von 1860 ausgefallen, so würde es schwer abzumessen gewesen sein, wie das Ge-
meinwohl ein so schweres Mißgeschick ertragen hätte. Glücklicher Weise war die
Ernte in England eine günsilige. In Folge der Energie, mit welcher die Ameri-
*) Nach den Baichten des Frankfurter Actionär.