Deutschland (ohne Prenßen). 75
für Einführung einer gemeinsamen Gesetzgebung über Civilprozeß und Ob-
ligationenrecht erklärt, so spricht der Juristentag seine Ueberzeugung da-
hin aus, daß die erfolgreiche Förderung dieses Zweckes des allgemeinen
Dankes des Vaterlands sicher ist; 2) die über die Form der Einleitung
einer solchen Gesetzgebung zur Zeit noch obwaltenden Meinungsverschieden-
heiten, ob durch den Bundestag (Oesterreich), ob durch freie Vereinbarung
(Preußen), erklärt der deutsche Juristentag in keiner Weise für so erheblich,
daß dadurch das Zustandekommen des Zwecks gefährdet oder verzögert wer-
den sollte; vielmehr wünscht er lebhaft, daß durch allseitiges Entgegenkom-
men diese Frage baldigst gelöst werde. 3) Zu diesem Zwecke erachtet sich
der Juristentag um so mehr für berechtigt, als es sich zur Zeit nur um die
Vorbereitung handelt und der Juristentag die Ueberzeugung hegt, daß zum
endlichen Zustandekommen einer gemeinsamen Gesetzgebung auf dem Gebiete
des Prozeß- und Obligationsrechts eine gemeinsame von den Regierungen
und den Kammern der Einzelstaaten anerkannte, wenn auch lediglich zu
diesem nationalen Werke berechtigte Einrichtung nothwendig ist. Den glel-
chen Wunsch spricht der deutsche Juristentag auch bezüglich einer gemein-
samen Strafgesetzgebung aus“. ·
29. Aug. (Bayern.) Die Abg.-Kammer lehnt den Antrag zu einer
auf dem Grundsatze der Gewerbefreiheit beruhenden Gewerbe-
ordnung mit 69 gegen 61 Stimmen ab und beschließt, „k. Staats-
regierung wolle bis zum Zustandekommen eines neuen Gewerbe-
gesetzes das Gesetz vom 11. Sept. 1825 in der seinem Wortlaute
und Geiste entsprechenden Weise vollziehen“.
29.8. (Mecklenburg.) Erlaß des Grafen Kuno Hahn-Basedolw
„an meine sämmtlichen Beamteten und Dienerschaft, die mein Brot
essen und denen mich Gott zum Herrn gesetzt hat".
5. Sept. (Baden.) Der Großherzog sanctionirt die von der General-
synode beschlossene Verfassung der vereinigten evangelisch-protest.
Kirche Badens mit einer Ansprache:
„ . . . Was bisher in Angelegenheiten der evangelischen Kirche durch
Staatsbehörden angeordnet wurde, mußte rein kirchlichen Organen zu-
getheilt, die kirchlichen Behörden mußten unabhängig von den staatlichen
gestellt, aber eben deswegen mußten auch den Gemeinden die ihnen ge-
bührenden Rechte gewährt werden. Das Verfassungswesen der evan-
gelischen Kirche mußte neu geordnet werden, und zwar nach dem prote-
stantischen Grundsatze, daß nicht der Lehrstand und die Behörden allein,
sondern die gesammte Gemeinde der Christen die Kirche ausmache . . . "
9.9. Generalversammlung der katholischen Vereine Deutschlands in
München. Beschlüsse derselben:
I. Adresse an den Papst:
„. . . Auf Grund des Glaubens an den unerschütterlichen Bestand des Felsens
Petri bekennen wir auch, daß wir den weltlichen Besitzstand des hl. Stuhls
als eine von der Vorsehung der Kirche gewährte, wenn auch irdische Unter-
lage betrachten, welche die nothwendige von Gott angeordnete
Bedingung ist, daß der Stellvertreter Christi unabhängig und unberührt
von jeder äußern und blos weltlichen Macht sein hohes dreifaches Amt,
der göttlichen Lehre, des Hohenpriesterthums und des priesterlichen König-
thums verwalte. Deshalb ist es aber auch unsere katholische Ueberzeugung,
daß, wie derselbe heilige Stuhl der unerschütterliche Fels der Kirche als des
für die Ewigkeit gegründeten Reiches Gottes ist, der weltliche Besitz des-