Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

Uebersicht der Ereignisse des Jahres 1863. 
Seit 1859 hatte sich Europa, was allgemeines Interesse belangt, 
vorzugsweise mit der Lösung der italienischen Frage beschäftigt. Das Jahr, 
1863 brachte neue Fragen. Zunächst war es die polnische Frage, die bis 
gegen den Schluß des Jahres die gesammte Diplomatie in Athem erhielt, 
und kaum war sie von denjenigen drei Großmächten, die sich darin zu 
Sprechern der öffentlichen Meinung Europas gemacht hatten, fallen gelassen 
worden, als der unerwartete Tod des Königs von Dänemark den längst 
vorausgesehenen Kampf um sein Erbe und um die Rechte und Interessen 
Deutschlands zum Ausbruch bringen mußte. 
Obgleich Niemand sich darüber täuschen konnte, daß es in Polen zu Rufland. 
einem gewaltsamen Ausbruch kommen müsse, so trat die Thatsache doch mehr 
oder weniger überraschend ein. Dem allgemeinen Zuge entsprechend, der 
seit 1859 überall in Europa die Oberhand gewonnen und unter Alexan- 
der II. auch Rußland ergriffen hatte, war von diesem seit 1861 ein ernst- 
licher Versuch gemacht worden, Polen seiner Nationalität wieder zu geben 
und ihm eine gewisse Autonomie der Verwaltung einzuräumen, aber aller- 
dings unter der absoluten Bedingung, daß das neue System nicht zu 
einer politischen Revolution, nicht zu einer Lösung der polnischen von den 
allgemeinen Interessen des russischen Reiches führen dürfe. Der Erfolg 
entsprach indeß keineswegs seinen Erwartungen. Umsonst wurden die 
russischen Generale, die bisher die Central-Verwaltung des Landes in 
allen Zweigen geführt hatten, nach und nach sämmtlich abberufen und durch 
geborene Polen ersetzt, umsonst die Gouverneursstellen ausschließlich Polen 
anvertraut, umsonst ein polnischer Staatsrath zu Vorberathung der 
Gesetze als eine Art berathender Stände, die freilich nicht von der Nation 
sondern vom Kaiser gewählt und mit wenigen Ausnahmen auch von ihm 
besoldet wurden, errichtet, umsonst Kreis= und Gubernialräthe, welche die
	        
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