150 Preußen und der norddeutsche Bund.
durchberathen und beschlossen worden, im Wesenilichen aber doch
nur eine Paraphrase des nationalliberalen Entwurfes ist. Die Frei—
conservativen suchen zu vermitteln und alle drei Fractionen unter-
handeln durch Abordnungen über einen gemeinsamen Adreßentwurf,
der bis zum 23. Sept. zu Stande kommt.
24. Sept. (Preußen). Besuch des Königs in Karlsruhe. Der Groß-
herzog von Baden führt dem Könige bei dieser Gelegenheit in de-
monstrativer Weise so ziemlich sein ganzes Armeecorps vor.
„ (Preußen: Hannover). Feierliche Eröffnung des Provinzialland=
tags. Der Landmarschall Graf Münster spricht den Dank für die
kgl. Huld aus, wird aber vom Ob.-App.-Ger.-Rath a. D. v. Lenthe
unterbrochen, der Landmarschall sei dazu nicht befugt. Dieser ruft
ihn zur Ordnung und fordert die Versammlung auf, ihre Billigung
des Ordnungsrufs auszusprechen, was einstimmig geschieht.
22„ (Preußen). Ein kgl. Decret spricht mit Rücksicht auf den
bevorstehenden Eintritt von Abgeordneten auch der neuen Landes-
theile in den Landtag die Auflösung des Abg.-Hauses aus und ordnet
Neuwahlen an.
„ (Preußen) schließt mit dem ehemaligen Herzog von Nassau
einen Abfindungsvertrag. Der Herzog erhält durch denselben keine
Domänen, dagegen außer mehreren Schlössern eine Abfindungssumme
von ca. 15 Mill. Gulden, wodurch ihm eine Nevenüe gesichert
bleibt, die seine früheren Einkünfte als Landesherr entschieden über-
steigt.
24. Sept. (Preußen). Kgl. Verordnungen befehlen die Errichtung
von Consistorien für Nassau und Schleswig-Holstein mit der Be-
stimmung, daß dieselben, so wie die schon bestehenden Consistorien
für Hannover und Kurhessen dem evangelischen Ober-Kirchenrath der
übrigen Monarchie nicht unterstellt sein sollen.
24. Sept. (Norddeutscher Bund). Reichstag: Der vereinbarte Adreß-
entwurf wird eingebracht:
„Ew. k. Maj. und Allerhöchsidero erhabenen Bundesgenossen bezeugt der
erste Reichstag des nunmehr verfassungsmäßig constituirten norddeutschen
Bundes den Dank und die Befriedigung der Nation über die bisher errun-
genen Erfolge einer wahrhaft deutschen Politik. Das öffentliche Leben Deutsch-
lands hat nach Jahrhunderten schwerer Prüfung endlich die sichere Grund-
lage gewonnen. Diese Grundlage einer großen nationalen Zukunft zu be-
festigen und im Sinne bürgerlicher Freiheit und volkswirthschaftlicher Wohl-
fahrt auszubauen, wird sortan das Ziel aller Bestrebungen des Reichstags
sein. Seit der staatlichen Einigung Norddeutschlands sind wir uns im rr-
höhten Maße der Pflicht bewußt, jedem Wunsch und Bedürfniß der füd-
deutschen Staaten nach Herbeiführung der den Süden und Norden umfassen-
den nationalen Verbindung entgegenzukommen. Wir unsererseits dürfen das
große Werk erst dann für vollendet erachten, wenn der Eintritt der süd-
deutschen Staaten in den Bund auf Grund des Art. 79 der Verfassung des
norddeutschen Bundes erfolgt sein wird. Mit Freuden begrüßen wir deßhalb