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Nordd.
Bund.
Uebersicht der Ereignisse des Jahres 1867.
sammlung, die erste, die aus allgemeinen, directen, geheimen Wahlen
hervorgegangen war, stellte in ihren fast 300 Mitgliedern so ziemlich
alle Parteien und deren Fractionen, in die die Nation selber zerfiel,
wiederum dar: der Osten, die alten preuß. Provinzen hatten über-
wiegend conservativ, der. Westen und die meisten der kleineren
Bundesstaaten überwiegend liberal gewählt; Sachsen und die neu an-
nectirten preuß. Landestheile schickten nur zum Theil particularistisch,
zum Theil entschieden national gesinnte Abgcordnete; selbst die de-
mokratisch-socialistische Partei war durch einige Mitglieder vertreten;
derjenige Theil der früheren preuß. Fortschrittspartei, der sich mit
der Regierung des Grafen Bismarck auch jetzt noch nicht aussöhnen
und auf die neue Lage der Dinge nicht oder doch nur mit Vorbehalt
eingehen wollte, bildete, gleichwie schon im letzten preuß. Abgeord-
netenhause nur noch eine ziemlich beschränkte Minderheit. Am 4.
März legte Graf Bismarck dem Reichstage den Entwurf der Bundes-
verfassung vor, am 9. begann darüber die Generaldebatte, die am
13. geschlossen wurde. Das Ergebniß war, daß offenbar die große
Mehrheit der Versammlung bereit war, auf den Entwurf und die
darin niedergelegten Anschauungen einzugehen, während auf der an-
dern Seite auch Graf Bismarck sich keineswegs abgeneigt zeigte, auf
einzelne Concessionen sich einzulassen, die allerdings nicht auszuweichen
waren, wenn er seinen Entwurf im Wesentlichen durchsetzen wollte.
Am 18. März trat der Reichstag in die Specialdebatte des Ent-
wurfs ein und schon die ersten Abstimmungen bestätigten es, daß
die große Mehrheit nicht geneigt war, den Entwurf völlig abzu-
ändern und ihn zu einer mehr oder weniger regelrechten Bundes-
verfassung nach den Anforderungen der Theorie umzuarbeiten, son-
dern ihn auch ihrerseits nur als ein Werk des Uebergangs betrachtete,
das eben darum manches absichtlich zweifelhaft ließ, was erst die
Praxis und die weitere Entwickelung des Lebens selbst gestalten
müsse, bis es als feste Form und Norm auch in die Verfassung
übergehen könne. Im Großen und Ganzen stand so eine über-
wiegende Majorität auf Seite der preuß. Regierung, doch sank diese
Majorität nicht selten auf wenige Stimmen herab und in einigen
entscheidenden Punkten unterlag jene ihrerseits einer mehr oder
weniger starken Majorität. Es genügt, die Hauptpunkte hervorzu-
heben. Am 19. März wurde beantragt, wenigstens eine Anzahl