Preußen und der norddeutsche Bund. 71
1861 brachte ihn auch zum ersten Male mit den Gerichten in Conflict, indem
er im September 1861 wegen des Duells zu drei Monaten Einschließung
verurtheilt, das Urtheil aber durch die Krönungs-Amnestie erledigt wurde.
Indessen ruhten die gerichtlichen Verfolgungen aus Anlaß der politischen
Thätigkeit Twestens seitdem eigentlich niemals ganz. Wegen einer Rede bei
den Neuwahlen im März 1862 wurden Zeugen von dem Berliner Criminal-
gerichte vernommen, es kam jedoch nicht zur Einleitung einer Untersuchung,
und der mißlungene Versuch ist nur als Zeichen der ersten Thätigkeit des
neuen Justiz-Ministers Grafen zur Lippe bemerkenswerth. Bei der Auflösung
des Abgeordnetenhauses im Jahre 1863 wurde dann zuerst gegen richterliche
Beamte der Grundsatz durchgesetzt, daß jede öffentliche Opposition — „feind-
selige Agitation oder Demonstration"“ — disciplinarisch strafbar sei. Das
Kammergericht erkannte am 4. Nov. 1863 wegen eines „der Würde des
Amtes nicht entsprechenden außerdienstlichen Verhaltens“ auf eine Verwarnung.
Wegen ähnlicher Theilnahme an Aufrufen, Wahlcomités etc. wurde bald darauf
gegen andere Richter auf Strafversetzung und sogar Cassation erkannt. Eine
zweite Verwarnung erfolgte im December 1863 wegen Theilnahme an der
Abgeordneten-Versammlung zu Frankfurt a. M., wo es sich um die schleswig-
holsteinische Sache handelte und an der Twesten, ohne Urlaub nachgesucht zu
haben, sich betheiligt hatte. Wegen eines Aufrufs des Sechsunddreißiger-
Ausschusses (an welchem übrigens die preußischen Mitglieder wegen der Session
des Abgeordnetenhauses gar nicht Theil genommen hatten) wurde er doch im
Februar 1864 zuerst auf dem Criminalgerichte inquirirt, dann wegen Theil-
nahme an der Frankfurter Versammlung eine Disciplinar-Untersuchung ein-
geleitet, vom Kammergerichte auf Freisprechung erkannt (weil das Eintreten
für die schleswig-holsteinische Sache nicht als Opposition gegen die Regierung
aufzufassen), vom Ober-Tribunal aber (erst im November 1865) auf einen
Verweis erkannt. Der Staatsanwalt hatte in jeder Disciplinar-Untersuchung
auf Cassation beantragt. Nach diesen Vorspielen folgte nun die Hauptunter-
suchung, die mit dem freiwilligen Ausscheiden aus dem Amte endigte. Wegen
der Rede des Abg. Twesten über die Justizverwaltung in der Sitzung des
Abgeordnetenhauses vom 20. Mai 1865 begann nämlich die Untersuchung
sofort nach Schluß des Landtages, und durch Beschluß des Ober-Tribunals
vom 29. Januar 1866 wurde die Untersuchung trotz Art. 84 der Verfassungs-
Urkunde eingeleitet. Nachdem er vom Stadt- und in zweiter Instanz vom
Kammergerichte freigesprochen worden, ward — gegen Erwarten, denn mittler-
weile waren die Ereignisse des Sommers 1866 eingetreten — nach herge-
stelltem Frieden und nach ergangener Amnestie die Nichtigkeitsbeschwerde ein-
gelegt, wurden die freisprechenden Erkenntnisse vom Ober-Tribunal unter dem
26. Juni 1867 vernichtet und nun vom Stadtgerichte auf zwei Jahre Ge-
fängniß, in zweiter Instanz vom Kammergerichte auf 300 Thlr. Geldstrafe
erkannt, die von Twesten eingelegte Nichtigkeitsbeschwerde aber am 29. April
1868 zurückgewiesen. — Zwischen diesem großen, gegen die Redefreiheit der
Abgeordneten gerichteten Prozesse hatte aber eine neue Disciplinar-Untersuchung
geschwebt, die wegen der Rede über den Tribunalsbeschluß in der Sitzung des
Abgeordnetenhauses am 10. Febr. 1866, und wegen Wahlreden im April und
Juni 1866 eingeleitet worden. Das Kammergericht sprach wegen der Rede
im Abgeordnetenhause in Rücksicht auf Art. 84 der Verfassung frei, erkannte
im Juni 1867 wegen der anderen Reden auf 100 Thlr. Geldstrafe und fand
das Verhalten Twestens gegen die Regierung „unpatriotisch und unehrenhaft.“
Der Abgeordnete und Stadtgerichtsrath Twesten appellirte, weil der Grund-
satz, daß Opposition strafbar sei“, falsch; der Justiz-Minister, immer noch
Graf zur Lippe, ließ auch appelliren und wiederum Cassation beantragen,
wogegen der neue Justiz-Minister Leonhardt die Appellation zurückziehen ließ.
Als nun am 18. Mai 1868 das Ober-Tribunal das Erkenntniß des Kammer-
gerichts bestätigt hatte, dann, aber erst dann, nahm Twesten seine Entlassung