Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwölfter Jahrgang. 1871. (12)

12. Türkti. 
3. Januar. (Rumänien.) II. Kammer: bewilligt der Regierung ein 
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Steuerprovisorium bis zum 31. März. Dieselbe scheint also auf die 
Mogjorität sich bis auf einen gewissen Grad verlassen zu können. 
„ Mustapha Fazyl Pascha, der Bruder des Vicekönigs von Aegypten, 
wird wieder entlassen, Muhamed Nuschdi Pascha zum Finanzminister 
ernannt. 
„ (Rumänien.) Die Allg. Augsb. Ztg. veröffentlicht einen Brief 
des Fürsten Karl an eine vertraute Persönlichkeit in Bonn, der die 
Möglichkeit einer freiwilligen Abdankung des Fürsten in Aussicht zu 
stellen scheint: 
„Es sind jetzt bald 5 Jahre, daß ich den kühnen Entschluß gefaßt, mich 
an die Spitze dieses von der Mutter Natur so reichlich bedachten und dennoch 
in anderer Beziehung so armen Landes zu stellen; und blicke ich auf diesen 
Zeitraum zurück, der kurz im Leben eines Volkes, lang im Dasein des stets 
voranstrebenden Menschen, so muß ich mir sagen, daß ich dem schönen Lande 
nur wenig habe nützen können. Oft frage ich mich: an wem die Schuld, ob 
an mir, der ich den Character des Volkes nicht gekannt, oder an diesem, das 
sich weder leiten lassen will, noch selbst zu leiten versteht? Durch meine vielen 
Reisen in alle Gegenden der beiden Fürstenthümer und durch vielseitige Be- 
rührung mit allen Schichten der Gesellschaft glaube ich zur Ueberzeugung ge- 
langt zu sein, daß der Vorwurf eigentlich weder mich persönlich, noch das 
Volk im Ganzen, vielmehr aber Diejenigen trifft, die sich im Lande selbst, das 
sie geboren, zu dessen Leitern aufgeworfen. Diese Leute nämlich, welche ihre 
ganze soziale und politische Bildung sich meistens im Auslande geholt, die 
heimathlichen Zustände dabei allzu sehr vergessend, trachten bloß darnach, die 
dort geltenden, von ihnen eingesogenen Begriffe, in utopische Formen einge- 
zwängt, ohne Prüfung auf ihr Vaterland zu übertragen. So ist das un- 
glückliche Land, das sich stets unter dem härtesten Drucke besunden, ohne Ueber- 
gang aus einem despotischen Regiment zu der liberalsten Verfassung, wie sie 
kein anderes Volk in Europa besitzt, auf einmal gerathen. Ich halte Dieß 
nach den gemachten Erfahrungen für ein um so größeres Unglück, als die 
Rumänen sich keiner bürgerlichen Tugenden rühmen können, die zu einer quasi- 
republikanischen Staatsform gehören. Hätte ich dieses herrliche Land, dem 
man unter anderen Umständen die reichste Zukunft prophezeien könnte, nicht 
so sehr in mein Herz geschlossen, so wäre mir schon lange die Geduld aus- 
gegangen. Nun aber habe ich einen letzten Versuch gemacht, der mich in den 
Augen der hiesigen Parteien wie der hochrumänischen politischen Führer als