Das deutsche Reich und seine einzelnen Slieder. 75
zu verständigen, um sich keiner Weigerung auszusetzen. Ich ergreife 2c.“ Die
Nordd. Allg. Ztg. bemerkt indeß alsbald zu diesem Schreiben offiziös: „Das
Schreiben vom 10. Februar ändert an der Sachlage, welche das frühere
Schreiben des Cardinals vom 3. Jan. geschaffen hat und welche diesseits ac-
ceptirt wird, nicht das Mindeste. Der Standpunkt, von welchem der römische
Stuhl hinsichtlich des Concordats in Bezug auf die Provinzen, die Frankreich
nicht mehr angehören, ausgegangen ist, hat, wie dieses neue Schreiben be-
stätigt, am 3. Januar präcisirt werden sollen. Dieß ist dahin geschehen, daß
jenes Concordat von dem Augenblick der Einverleibung des Elsaß in das
deutsche Reich aufgehört habe, zu gelten. Auch dieses neue Schreiben spricht
es aus, daß der römische Stuhl „der kaiserlichen Regierung kein Concordat
zu kündigen hat“. Beide Theile sind also darllber einig, daß der Vertrag
gelöst ist, daß zwischen Deutschland und Rom in Bezug auf den Elsaß keine
Vertragsbestimmungen existiren. In Rom scheint eine neue Uebereinkunft ge-
wünscht zu sein: Wünsche find indessen keine Rechtsquellen. Die deutsche Re-
gierung wird, wie schon früher mitgetheilt worden, die betreffenden Verhält-
nisse im Wege der Gesetzgebung ordnen. Diese Gesetzgebung wird unzweifelhaft
eine wohlwollende sein und ihrem Inhalte nach den Wünschen der Kirche, so
weit dieß möglich ist, entsprechen.“
Ueber die Differenzen zwischen Staat und Kirche im Elsaß, die zu diesen
Erklärungen von der einen und von der andern Seite Anlaß geben, bringen
die Blätter folgende thatsächliche Angaben: Der Artikel 19 der „organischen
Artikel“ vom 15. Juli 1801 bestimmt, daß die Bischöfe die Geistlichen er-
neunen und einsetzen, daß sie diese Ernennung aber nicht bekannt machen und
den Geistlichen nicht die kanonische Sendung (Tinstitution canonique, missio
canonica) verleihen dürfen, bis diese Ernennung durch den ersten Consul be-
stätigt ist. Die Geistlichen können auch nach Artikel 27 desselben Grund-
gesetzes über die Organisation der Culte nicht in Funktion treten, bis sie in
die Hände des Präfekten den vorgeschriebenen Eid abgelegt haben, in welchem
Gehorsam gegen die Regierung und das Fernhalten von jeder Verbindung,
welche die öffentliche Ruhe zu stören geeignet ist, geschworen wird. Nun be-
stritt die katholisch-kirchliche Behörde das Recht der Regieruug zu dieser vor-
gängigen Bestätigung. Sie suchte sich zu stützen auf den Artikel 17 des mit
den „organischen Artikeln“ ein untrennbares Ganzes bildenden Concordates,
welcher lautet: „Unter den contrahirenden Parteien ist man Übereingekommen,
daß in dem Falle, wo einer der Nachfolger des gegenwärtigen ersten Consuls
nicht Katholik ist, die in dem oben stehenden Artikel erwähnten Rechte und
Prärogativen und die Ernennung der Bischöfe im Einverständnisse mit ihm
durch eine neue Convention werden geregelt werden." Da nun der gegen-
wärtige Nachfolger des ersten Consuls, der deutsche Kaiser, nicht Katholik ist,
so folgerte man daraus, daß er jenes Bestätigungsrecht nicht besitze, und ohne
Zweifel würde man, dieß zugegeben, später auch gefolgert haben, daß er das
Recht zur Ernennung der Bischöfe nicht habe. Man vergaß, daß in dem
Falle, wo das Concordat von 1801 hinfällig wird, das alte gemeine franzö-
sische Recht in Kraft tritt. Auf Seiten der Regierung begnügte man sich,
die weltlichen Einkünfte der Pfarrer, für welche die organischen Artikel concret
wurden, zurückzuhalten, und unn wurde von dem bischöflichen Ordinariat das
Bestätigungsrecht des Staates nicht länger bestritten.
11. Febr. (Preußen.) Die feudal-conservative Kreuzzeitung bricht ent-
schieden mit dem Fürsten Bismarck und kündigt ihm wegen seiner
Rede im Abg.-Hause vom 30. Jan. energische Opposition an,
und zwar zunächst zum Zwecke der „Vindikation des monarchischen Prin-
cips gegen parlamentarische Majoritätswirthschaft", nachdem der Fürst die be-
denklichen Worte: „In einem censtitutionellen Staate bedlrfen wir Minister
einer Majorität, die uns im Ganzen unterstützt“ geäußert, im Weiteren „die