Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 
Rathhauscapelle zu Köln vorgenommen und auf diesen Tag baldigst die 
Wahlversammlung einberufen werden. Der Erzbischof von Utrecht hat sich 
in einem in den letzten Tagen eingetroffenen Briefe bereit erklärt, den ge- 
wählten Bischof zu consecriren. Die Commission hat ferner den Entwurf 
einer Gemeinde= und Synodalordnung ausgearbeitet: dieser soll bei 
der Einladung zur Wahl den einzelnen Gemeinden mitgetheilt werden, um 
von der Wahlversammlung am Tage vor der Wahl provisorisch angenommen, 
resp. abgelehnt oder amendirt zu werden, vorbehaltlich der definitiven Be- 
schlußnahme der unter dem Vorsitze des Bischofs versammelten Synode. Die 
Versammlung erklärte ihre Zustimmung zu den Vorschlägen der Commission. 
Gleichzeitig gibt in der Vereinsversammlung der Münchener Altkatholiken 
Dr. Zirngiebl folgende Uebersicht über den bisherigen Gang und den gegen- 
wärtigen Stand der altkath. Bewegung: „. . . Man muß das, was als das 
Ziel der katholischen Reformbewegung gesteckt worden ist, unterscheiden von 
dem, was erreicht werden konnte und darf hiebei nie aus dem Auge verlieren, 
daß wir uns innerhalb einer Bewegung befinden, daß also das jeweilig 
Erreichte nicht der Abschluß unserer Arbeit ist. Man wird das am besten 
daraus erkennen, wenn man das Erreichte und das zu Erzielende vergleicht. 
In Bezug auf das Ziel der Bewegung ist entscheidend, was in den Beschlüssen 
der beiden Altkatholikencongresse zu München und Köln sich findet: Wir 
halten fest — bekennen die erstern — an dem alten katholischen Glauben, 
wie er in Schrift und Tradition bezeugt ist. Wir verwerfen darum jedes 
Glaubensdecret, dessen Inhalt nicht der Glaube der Gesammtkirche von Christus 
bis heute war, vor Allem darum die Decrete des 18. Juli 1870 und das 
Dogma von der unbefleckten Empfängniß Mariens. Wir halten fest an der 
alten Verfassung der Kirche. Wir verwerfen darum den Raub, welchen 
Pius IX. am 18. Juli 1870 an den Rechten der Bischöfe verübt hat, indem 
er sich zum Universalbischof und die Bischöfe zu bloßen päpstlichen Vasallen 
machte, und wir wahren der kath. Laienwelt, dem Clerus, wie der wissen- 
schaftlichen Theologie bei Feststellung der Glaubensregeln das Recht des Zeug- 
nisses und der Einsprache. Im Geiste der alten Kirche und unterstützt durch 
die theologische und canonistische Wissenschaft erstreben wir die Hebung der 
in die Kirche eingeschlichenen Gebrechen und Mißbräuche. Wir erstreben 
ferner die Heranbildung eines sittlich frommen, wissenschaftlich erleuchteten 
und patriotisch gesinnten Clerus — mit einer Stellung, welche denselben 
gegen jegliche hierarchische Willkür schützt. Wir erhoffen endlich unter Vor- 
aussetzung der angestrebten Reformen und auf dem Wege der Wissenschaft 
und der fortschreitenden christlichen Cultur eine Union der christlichen Theil- 
kirchen. Das sind die Zielpunkte des Münchener Programms. Der Kölner 
Congreß, indem er die eben ausgesprochenen Punkte festhielt, schritt zur Or- 
ganisation der Seelsorge. Ich will aus diesem Statut nur Folgendes an- 
führen: Die Ersetzung der lateinischen Sprache durch die Landessprache in 
Seelsorge und Gottesdienst wurde in der Ausdehnung als gerechtfertigt er- 
klärt, in welcher sie in verschiedenen Diöcesen rechtmäßiges Herkommen ist 
oder war. Und wenn auch die endgiltige Prüfung der tiefgefühlten Miß- 
bräuche auf dem Gebiete der Disciplin und des Cultus und die Durchführung 
der entsprechenden Reformen den verfassungsmäßigen Organen der Kirche vor- 
behalten wird, so erklärte der Congreß doch die Beseitigung der Stolgebühren, 
Meßstipendien etc., die Vermeidung der Mißbräuche und Auswüchse des Ab- 
laßwesens, der Heiligenverehrung, der Scapuliere, Medaillen etc. nicht bloß 
als heilsame, sondern auch als unbestreitbar berechtigte Reformen. Der 
Congreß erklärte ferner als Pflicht der altkatholischen Priester, in Predigt 
und Unterricht so zu wirken, daß die Verständigung unter den Angehörigen 
der verschiedenen Confessionen nicht gestört, sondern gefördert werde. Es ist 
endlich höchst beachtenswerth, daß der Congreß die allgemeine Einführung 
der obligatorischen Civilehe und die Uebertragung der Führung der Civil-=