Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 123
geben, so kann ich mich dafür erklären. Mosle: Es sind ungefähr 311
Millionen Banknoten im Umlauf, und davon fallen ungefähr 10 Millionen
unter die Vorschrift der Zusatzanträge. Es liegt also die Möglichkeit der
Einziehung bis zu einem bestimmten Termine vor. Präsident Delbrück:
Es ist nicht die Absicht gewesen, daß mit dem Eintritt der Reichsgoldwäh-
rung das Circuliren des Staatspapiergeldes aufhören solle. Wenn die voll-
ständige Regelung der Papiergeld= und Banknotenfrage eine nicht ganz leichte
Aufgabe ist, dann wird es sich nicht empfehlen, sie an dieses Gesetz zu knüpfen.
Ich glaube, das ganze Haus will ein Zustandekommen des Gesetzes auf der
Grundlage der Regierungsvorlage; um so dringender muß ich Ihnen em-
pfehlen, die Fragen, die man damit in Verbindung bringen will, zu be-
schränken und nicht durch eine zu große Ausdehnung derselben das Resultat
zu gefährden. Bamberger: Die unbedingte Voraussetzung der Annahme
dieses Gesetzes war eine Einigung über das Papiergeld. Will man dies
heute unterlassen, so übernimmt man die Verantwortlichkeit für die furcht-
barste wirthschaftliche Katastrophe, die den Segen des neuen Gesetzes in den
größten Unsegen verkehren wird. Windthorst (Meppen): Bis zum 1. Jan.
1875 sämmtliche Noten auf Mark auszustellen, sei vollständig unmöglich,
nach seinen Erkundigungen würden die technischen Arbeiten allein 5 Jahre
erfordern. Gumbrecht: Jeder Thaler Banknoten treibe einen Thaler baar
aus dem Lande; ohne Bestimmungen über die Banknoten sei daher das
ganze Münzgesetz zwecklos.
26. April. (Preußen.) Auch in Westpreußen ordnet das Provinzial-
Schulcollegium an, daß, wie in der Provinz Posen, der Religions-
unterricht an den höhern Unterrichtsanstalten fortan nur in deutscher
Sprache ertheilt werden dürfe.
„ (Bayern.) Das kath. „Passauer Tagblatt“, von dem man fort-
während behauptet, daß es das Organ des Bischofs sei, ohne daß
bisher der Behauptung widersprochen worden wäre, äußert sich über
die sog. katholische Presse der Gegenwart folgendermaßen:
„Jetzt ist es aber an der Zeit zu fragen: was thun unsere sogenannten
katholischen Zeitungen im Hinblick auf die gefährlichen Vorgänge der Gegen-
wart? Ja, was thun sie? In kirchlichen Fragen bestreiten sie sich und
schimpfen einander ab auf die erbärmlichste Weise. Und wie diese katholischen
Journalisten sich selber einander bei den Haaren fassen, mit solcher Wuth
fahren diese Scheinkatholiken auf die Gesetze los, auf den König, auf den
Staat und seine Beamten. Wahrhaftig, nie ist die katholische Journalistik
verkommener und schamloser gewesen, als jetzt, noch nie hat die katholische
Presse ihren Zweck so sehr verfehlt, als in der Gegenwart!"
27. „ (Deutsches Reich.) Reichstag: Die sämmtlichen Fractionen der
liberalen Partei haben sich über einen Antrag auf Errichtung eines
Reichseisenbahnamtes geeinigt und bringen denselben ein. Dem Antrag
ist von vornherein eine entschiedene Majorität gesichert.
28. „ (Deutsches Reich.) Reichstag: beendigt die Berathung des
Gesetzentwurfs über die Rechtsverhältnisse der zum dienstlichen Gebrauch
der Reichsverwaltung bestimmten Gegenstände und nimmt dasselbe mit
nicht wesentlichen Modificationen an. Präs. Delbrück kündigt im Laufe
der Debatte die demnächst bevorstehende Vorlegung eines neuen Gesetz-
entwurfs über den Reichsrechnungshof an.
Der Widerstand gegen das sog. Reichseigenthumsgesetz ist sowohl vom