Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

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Das deutsche Reich und seine einzelnen Elieder. 
stehen“, Gesetze, bei deren Durchführung „die Abtrennung der Bischöfe von dem 
sichtbaren Oberhaupte der gesammten katholischen Kirche, die Trennung des Clerus 
und des Volkes von seinen rechtmäßigen Bischöfen, die Trennung der Kirche in 
unserem Vaterlande von der die ganze Erde umfassenden Kirche des Gott- 
menschen und Erlösers der Welt, die völlige Auflösung der von Gott ge- 
gebenen Organisation der Kirche nothwendig erfolgen werde.“ Dies hätten 
auch Clerus und Gläubige erkannt und deßhalb durch Adressen und Depu- 
tationen den Bischöfen ihre „tiefernsten Besorgnisse“, sowie die Versicherung 
ausgesprochen, unter allen Umständen unwandelbar am heiligen Vater und 
an den rechtmäßigen Bischöfen festzuhalten. Nachdem für diese Kundgebungen 
der Dank der Bischöfe ausgesprochen worden, werden Clerus und Gläubige 
zu treuem Beharren in ihrer Gesinnung, sowie zur Bestätigung des gegebenen 
Wortes durch die That ermahnt, und hier fährt das Sendschreiben fort: 
„Noch haben die gedachten Vorlagen keine Gesetzeskraft; — was immer aber 
kommen mag, wir werden mit der Gnade Gottes die in unseren Denkschriften 
entwickelten Grundsätze, die nicht die unseren, sondern die des Christenthums 
und der ewigen Gerechtigkeit sind, standhaft und einmüthig vertheidigen und 
unsere Hirtenpflicht so erfüllen, daß wir in der Stunde unseres Todes vor 
dem Richterstuhle des göttlichen Hirten, der uns gesendet und der sein Leben 
für die Seinigen hingegeben hat, nicht als Miethlinge verworfen werden. 
Eingedenk des apostolischen Wortes, daß der hl. Geist die Bischöfe gesetzt 
hat, die Kirche Gottes zu regieren, die er mit seinem Blute erkauft hat, daß 
es demnach unsere unverbrüchliche Pflicht ist, dieser Anordnung des hl. Gei- 
stes getreu nachzukommen, werden wir in Bezug auf die Leitung und Ver- 
waltung der uns anvertrauten Kirchen nichts zulassen dürfen, was den Ge- 
boten des katholischen Glaubens und dem göttlichen Rechte der Kirche zuwider 
ist. Ihr aber, geliebte Mitarbeiter und Diöcesanen, haltet Eurerseits unver- 
brüchlich daran fest, daß nur derjenige ein rechtmäßiger Bischof ist, der als 
solcher vom hl. Vater und dem apostolischen Stuhle, dieser Quelle der kirch- 
lichen Einheit und der kirchlichen Amtsgewalt, gesendet ist, und der in der 
Gemeinschaft des apostolischen Stuhles verharret. Ingleichen werdet Ihr 
stets nur diejenigen als rechtmäßige Seelsorger anerkennen können, welche 
von den rechtmäßigen Bischöfen für dieses Amt würdig und tüchtig erfunden, 
von den Bischöfen mit diesem Amte betraut und gesendet werden, und welche 
in der Gemeinschaft mit den Bischöfen verbleiben. Jeder Andere wäre ein 
Eindringling. Nach der Einrichtung, welche Gott seiner Kirche für alle 
Zeiten gegeben hat, kann Niemanden durch Bestimmung einer weltlichen 
Obrigkeit ein Recht verliehen werden, wonach er, unbeschadet seiner Ange- 
hörigkeit zur Kirche, in kirchlichen Dingen von dem geistlichen Urtheilspruche 
an die weltliche Macht appelliren könnte. Vielmehr ruht auf solchem der 
göttlichen Ordnung widerstreitenden Vorgehen die Strafe der Excommuni- 
cation, welche in Folge einer solchen Appellation von selbst eintritt. Wir 
werden, dem beständigen Brauche der Kirche folgend, die Entscheidung in 
allen die Kirche betreffenden zweifelhaften Fragen in die Hände des heiligen 
Vaters legen, den Christus zum obersten Hirten seiner Kirche gesetzt hat und 
in dessen Gemeinschaft und Gehorsam wir mit Gottes Gnade stets verbleiben 
werden. Wir werden aber auch unsere Pflichten gegen die weltliche Obrig- 
keit, gegen das bürgerliche Gemeinwesen und gegen das Vaterland mit un- 
verbrüchlicher Treue und Gewissenhaftigkeit zu erfüllen fortfahren, indem wir 
nie vergessen, daß nicht Kampf und Trennung, sondern Friede und Eintracht 
das Verhältniß ist, das nach Gottes Willen zwischen den beiden von ihm 
zur Wohlfahrt der menschlichen Gesellschaft angeordneten Gewalten bestehen 
soll.“ Hierauf werden Clerus und Gläubige zum beharrlichsten Gebete er- 
mahnt; denn „seit den Tagen, wo Constantin der Große sich zum Christen- 
thum bekehrte und der 300jährigen Verfolgung der Kirche durch die bis 
dahin heidnische Staatsgewalt ein Ende machte, ist wohl kaum eine Zeit