Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 
auch fast einstimmig angenommen, so daß die sogenannten Scheinoptanten 
nunmehr auch ohne ausdrückliche Zurücknahme der Optionserklärung das 
volle active und passive Wahlrecht zum Reichstag haben. § 8 lautet: „Auch 
nach Einführung der Verfassung und bis zu anderweitiger gesetzlicher 
Regelung kann der Kaiser unter Zustimmung des Bundesraths, während 
der Reichstag nicht versammelt ist, Verordnungen mit gesetzlicher Kraft er- 
lassen. Dieselben dürfen nichts bestimmen, was der Verfassung oder den in 
Elsaß-Lothringen geltenden Reichsgesetzen zuwider ist, und sich nicht auf solche 
Angelegenheiten beziehen, in welchen nach § 3 Absatz 2 des die Vereinigung 
von Elsaß-Lothringen mit dem Deutschen Reiche betreffenden Gesetzes vom 
9. Juni 1871 die Zustimmung des Reichstags erforderlich ist. Auf Grund 
dieser Ermächtigung erlassene Verordnungen sind dem Reichstag bei dessen 
nächstem Zusammentritt zur Genehmigung vorzulegen. Sie treten außer 
Kraft, sobald die Genehmigung versagt wird." Hiezu beantragen 1) Windt- 
horst (Meppen) statt der gesperrt gedruckten Worte zu setzen „bis zum 1. Jan. 
1875." 2) Reichensperger (Olpe) statt des § 8 die folgenden Paragraphen 
anzunehmen: § 8. Die gesetzgebende Gewalt wird in Elsaß-Lothringen gemäß 
§ 3 des Gesetzes vom 9. Juni 1871 hinsichtlich der der Reichsgesetzgebung 
nicht unterliegenden Angelegenheiten durch den Bundesrath und den Reichs- 
tag so lange ausgeübt, bis das Recht der Mitwirkung bei der Gesetzgebung 
und Besteuerung des Landes einer besonderen Landesvertretung übertragen 
sein wird. Der Entwurf eines Landesverfassungsgesetzes wird dem Reichstag 
in der nächsten ordentlichen Session vorgelegt werden. § 9. Nur in dem 
Fall, wenn die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder die Beseiti- 
gung eines ungewöhnlichen Nothstandes es dringend erfordert, können, inso- 
fern der Reichstag nicht versammelt ist, Verordnungen mit Gesetzeskraft durch 
den Kaiser unter Zustimmung des Bundesrathes erlassen werden. Dieselben 
dürfen nicht bestimmen, was der Reichsverfassung oder den in Elsaß-Lothringen 
geltenden Reichsgesetzen zuwider ist, und sich nicht auf solche Angelegenheiten 
beziehen, in welchen nach § 3 Absatz 2 des die Vereinigung von Elsaß- 
Lothringen mit dem Deutschen Reich betreffenden Gesetzes vom 9. Juni 1871 
die Zustimmung des Reichstags erforderlich ist. Auf Grund dieser Ermäch- 
tigung erlassene Verordnungen sind dem Reichstag bei dessen nächstem Zu- 
sammentritt zur Genehmigung vorzulegen. Sie treten außer Kraft, sobald 
diese Genehmigung versagt wird. Reichensperger (Olpe) erinnert an die 
große staatsmännische Rede, mit welcher vor zwei Jahren der Reichskanzler 
die Einverleibung von Elsaß-Lothringen in das Deutsche Reich befürwortet 
habe. Er habe damals in prägnanten Worten anerkannt, daß auf dem Ge- 
biete der Selbstverwaltung dem Reichsland ein sehr weiter Spielraum ge- 
lassen werden dürfe. Leider seien den Worten die Thaten nicht gefolgt; auch 
die Vorlage entspreche in keiner Weise jenen großen Principien. Das Princip 
der Octroyirungsgewalt sei ja ein sehr anfechtbares. Bei Berathung der 
preußischen Verfassung habe es der jetzige Finanzminister Camphausen als 
Referent der zweiten Kammer für absolut unzulässig erklärt. Wenn gestern 
der Reichskanzler es für ein unberechtigtes Mißtrauen erklärt habe, der Re- 
gierung unvernünftige Handlungen zuzumuthen, so müsse er doch seinerseits 
erinnern, daß die ganze Idee der repräsentativen Verfassung, der beschränkten 
Regierungsgewalt auf diesem Mißtrauen beruhe, und wessen man sich von 
der einflußreichsten deutschen Regierung in dieser Beziehung versehen könne, 
beweise ja § 20 des preußischen Preßgesetz-Entwurfs. Dem Reichslande bald 
eine Landesvertretung zu geben, sei nicht blos eine Rechts-, sondern auch 
eine Ehrenpflicht des Deutschen Reiches; bis jetzt herrsche es im Elsaß nur 
durch die äußere Macht; es müsse endlich auch an die moralische Eroberung 
der reannectirten Lande denken. Windthorst (Meppen) ist in erster Reihe 
für den Antrag des Vorredners; sein Amendement sei nur ein eventuelles, 
welches verhindern solle, daß die Dictatur in infinitum ausgedehnt werde, 

	        
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