Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 
Miquel'scher Compromiß-Antrag mit großer Mehrheit angenommen, 
wonach Roheisen aller Art, altes Brucheisen, Rohstahl, zur See über russische 
Grenzen eingeführt, sofort zollfrei wird, bezüglich aller übrigen Eisen= und 
Stahlzollsätze der Regierungsvorlage Ermäßigung eintritt, die aber am 
1. Januar 1877 gleichfalls gänzlicher Zollbefreiung Platz macht. Das 
Uebrige wird in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen. 
Der Reichstag hält von diesem Tage an täglich zwei Sitzungen, um die 
immerhin noch zahlreichen Tractanden binnen wenigen Tagen zu erledigen, 
da die beschlußfähige Anzahl offenbar länger nicht mehr beisammen zu 
halten ist. 
 
20. Juni. (Preußen.) Der bisherige kath. Feldpropst (sog. Armeebischof) 
 
Namszanowski wird vom Disciplinargericht in letzter Instanz auf Warte- 
geld gesetzt, d. h. unter Belassung seines Gehalts seiner bisherigen 
Stelle enthoben. Die ganze Institution bleibt abgeschafft. 
„ (Preußen.) Der Oberkirchenrath schreitet gegen diejenigen Super- 
intendenten ein, welche den Aufruf zu der lutherischen Conferenz nach 
Berlin mitunterzeichnet haben, da diese Conferenz offenbar dazu be- 
stimmt ist, dem obersten Kirchenregimente Opposition zu machen. 
„ (Preußen.) Die Verhandlungen der kgl. Eisenbahn-Spezial= 
untersuchungs-Commission bestätigen im Wesentlichen die Enthüllungen 
Lasker's bez. des Geh. Rathes Wagener: derselbe sucht um seine 
Pensionirung nach. 
21.   „ (Deutsches Reich.) Bundesrath: beschließt gegen die Stimmen 
Sachsens, Württembergs, Badens, Sachsen-Weimars und Oldenburgs 
auf den Antrag Preußens, die Abstimmung über den Gesetzesentwurf 
betr. die Ausgabe von Reichscassenscheinen vorläufig auszusetzen und 
„es dem Reichstage bei der Beschlußfassung über Art. 18 des Münz- 
gesetzes anheim zu geben, die Einziehung des Staatspapiergeldes resp. 
Ausgabe von Reichspapiergeld der Reichsgesetzgebung zu überlassen." 
Der Beschluß erfolgt nach mehrfachen einläßlichen Verhandlungen über 
die eingreifende Frage am 12. 18. und 20. d. M., da man sich über dieselbe 
nicht zu einigen vermag und der Reichskanzler einen einfachen Majoritäts- 
beschluß zu vermeiden trachtet. Sachsen namentlich widersetzt sich einem Be- 
schlusse über die Staatspapiergeldfrage ohne gleichzeitige Regelung der Bank- 
notenfrage. Eine solche aber scheint kaum anders möglich als durch Verzicht 
der preußischen Regierung auf ihren Antheil an der preußischen Bank und 
Erhebung derselben zu einer Reichsbank, wozu sich jedoch Preußen vorerst 
wenigstens noch nicht entschließen kann. 
„ (Deutsches Reich.) Reichstag: Zweite Berathung des Gesetzes- 
entwurfs über die Bewilligung von Wohnungsgeld-Zuschüssen an die 
Reichsbeamten und die Offiziere. Die Regierung siegt im Wesent- 
lichen mit ihrer den Offizieren günstigen Vorlage. 
Der Gegensatz, welcher in der Commission hervorgetreten war, zeigt sich 
auch im Hause. Gegen die Bewilligung der Wohnungsgelder hatte an sich 
Niemand etwas zu erinnern. Die Regierungsvorlage hatte zwei gesonderte 
Tarife, den einen für die Offiziere und den andern für die Civilbeamten, 
aufgestellt, von denen jener bis 700, dieser nur bis 500 Thlr. aufstieg. Die 
Commission hatte beide in einen einzigen Tarif mit einem Maximalsatze von 
500 Thlr. verschmolzen. Den Cardinalpunkt bildete die Frage, ob bei den
	        
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