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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
beantragte: „Alle katholischen Geistlichen, die ein Pfarramt verwalten".
Schließlich wurde die ursprüngliche Fassung beibehalten. Die Gemeinden
können nur Mitglieder der betreffenden Gemeinden zu Delegirten wählen.
Auch in der Synode führt der Bischof den Vorsitz. Der fünfte Abschnitt
(§ 35—50) bezieht sich auf die Gemeinden. Die Gemeindeversammlung hat
den Pfarrer, den Vikar, die Kirchenräthe und die Delegirten zu wählen, das
Budget zu genehmigen etc. Der Kirchenvorstand besteht aus dem Pfarrer ex
officio und 6—18 Kirchenräthen. Der letzte Abschnitt handelt von den
Pfarrern und Hilfsgeistlichen (§ 51—59). Er bestimmt, daß der Pfarrer
die durch die Staatsgesetze vorgeschriebenen Eigenschaften besitzen, eine theo-
logische Prüfung bestehen muß, auf Lebenszeit gewählt wird, vom Bischof
im Einverständniß mit der Synodal-Repräsentanz bis zur nächsten Synode
suspendirt und nur aus einem gesetzlichen Grunde nach einem förmlichen Ver-
fahren durch die Synode seines Amts enthoben werden kann. Ein Anhang
zur Synodalordnung betrifft die Ordnung der Bischofswahl.
Der Bericht über die Thätigkeit des Comité's bezüglich der Wahl eines
altkatholischen Bischofs gibt zu interessanten Mittheilungen Veranlas-
sung, aus denen hervorgeht, daß jene Wahl nicht das Werk raschen und vor-
eiligen Handelns, sondern bedächtiger Ueberlegung und reiflicher, allseitiger
Erwägung war. Diese Bischofswahl veranlaßt den Vorsitzenden des Con-
gresses, Hrn. v. Schulte, noch zu folgenden Mittheilungen über seine mit
den Regierungsmännern in Berlin gepflogenen Unterhandlungen: „Nie habe
ich mit einem einzigen Worte einen Gedanken ausgesprochen oder eine Bitte
gestellt, wodurch ich mir angemaßt hätte, ein Jota Dessen zu vergeben, was
die Kirche als eine freie, für die Gewissen berechnete Institution fordem
kann. Ich darf unbedingt sagen, es gäbe mir gegenüber keinen schmählichern
oder ungerechtern Vorwurf, als wenn man mir zumuthen wollte, ich hätte,
um irgend einen Zweck zu erreichen, die nothwendigen Rechte der Kirche
preisgegeben. Sodann muß ich erklären, daß von Niemanden mir gegenüber
unsere Angelegenheit und die Unterstützung, welche die Regierung ihr wird
angedeihen lassen, als etwas Politisches aufgefaßt worden ist. Es ist Nie-
manden eingefallen, uns in irgend einer Weise und in irgend einem Punkte
als politische Mauerbrecher oder dergleichen ansehen zu wollen. Es ist mir
von allen Männern und insbesondere von Fürst Bismarck und Dr. Falk
das unbedingteste Wohlwollen gegen unsere Angelegenheit entgegengetragen
worden, und es haben diese Männer die volle Einsicht, daß es sich in un-
serer Sache wirklich handelt um eine katholische Sache, um eine Sache der
Religion, der Moral, der Cultur, und daß nur deshalb, weil alle diese
Momente zugleich in Betracht kommen, die Unterstützung unserer Sache als
eine nationale Pflicht gegen jedes Volk angesehen werden kann, nicht als
etwas ganz spezifisch Nationaldeutsches oder dergleichen. Ich habe dann aus
der Unterredung die moralische Ueberzeugung schöpfen dürfen, daß der An-
erkennung des von uns zu wählenden Bischofs von Seite der Regierung keine
Hindernisse im Wege stehen würden. Diese moralische Ueberzeugung durfte
ich aus ganz positiven Dingen schöpfen. Die alleinige Zusage, die wir
machten, war die — eigentlich selbstverständliche — offene Erklärung, daß
wir nie eine Person zu einem Bischof wählen würden, welche nicht auch das
Vertrauen der Regierung genöße, daß wir dem Staate auf seinem Gebiete
volle Selbständigkeit zuerkännten und es sich daher von selbst verstehe, daß
unser Bischof die Staatsgesetze achte, ehre und befolge."
12. Sept. (Bayern). Die sämmtlichen Bischöfe beschließen in einer Con-
ferenz zu Eichstätt einen Hirtenbrief an die Gläubigen und eine
Adresse an den König wider die Verordnung der Regierung vom 29.
August, welche die Pfarrschulen grundsätzlich in Gemeindeschulen um-
wandelt und allen Gemeinden die Möglichkeit eröffnet, ihre bisherigen