Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 221 
können die für diese Zwecke im Etat aufgebrachten allgemeinen Fonds zur 
Verwendung gelangen, so daß es sich hier nur um Befriedigung derjenigen 
besonderen Bedürfnisse handelt, welche durch die Constituirung des neuen 
Bisthums erwachsen. Hierher sind insbesondere der Unterhalt des Bischofs 
und die Kosten der Diöcesanverwaltung, die Kosten der practischen Ausbil- 
dung der jungen Geistlichen, nachdem sie die wissenschaftliche Bildung voll- 
endet und das Staatsexamen abgelegt haben, sowie die Beschaffung der er- 
forderlichen Mittel zur seelsorgerischen Bedienung der noch nicht förmlich 
constituirten Gemeinden zu rechnen. Dazu wird nach mäßigen Ansätzen der 
Betrag von 16,000 Thalern jährlich genügen, aber auch erforderlich sein." 
 18. Nov. (Sachsen.) II. Kammer: In Folge der Vorgänge bei dem 
 
Volksschulgesetze stellt der Abg. Minckwitz den Antrag, 
"die Anwendung des § 92 der Verfassung, nach welchem bei getheilten 
Curiatstimmen beider Kammern zu der Verwerfung eines Gesetzvorschlags eine 
Zweidrittelmajorität in einer der beiden Kammern erforderlich ist, auf die 
erste Kammer zu beschränken.“ Der Antrag erhält eine Mehrheit von 43 
gegen 33 Stimmen, welche zur Annahme desselben indessen nicht ausreichend 
ist, da durch denselben eine Verfassungsänderung involvirt wird. Der Abg. 
Haberkorn von der Rechten stellt darauf einen Gegenantrag, den Paragraph 
92 gänzlich aufzuheben und anstatt dessen das Princip des Pairsschubs in 
die Verfassung aufzunehmen. Dieser Antrag gelangt mit 64 gegen 4 Stim- 
men zur Annahme. 
Die Regierung legt dem Landtage fünf Gesetzesentwürfe betr. Re- 
form des Steuersystems vor. 
20.   „ (Bayern.) Eine allerh. Entschließung setzt den Ministerialerlaß 
vom 8. April 1852, durch welchen den Bischöfen auf ihr Andrängen 
eine Reihe nicht unerheblicher Concessionen gemacht worden war, außer 
Wirksamkeit und zieht jene Rechte (namentlich bez. der Ernennung zu 
Pfarrstellen) zu Handen einer kräftigen Staatsgewalt gegenüber den 
Ansprüchen der Hierarchie wieder an sich. 
„ (Württemberg.) II. Kammer: Budgetberathung. Bei Berathung 
des Etats des Auswärtigen werden die noch bestehenden Gesandtschaften 
wiederum genehmigt, doch nicht ohne Anfechtung. 
Minister v. Mittnacht hebt die Vereinigung des auswärtigen Mini- 
steriums mit dem Vorsitz im Ministerrath hervor: dieselbe sei practisch und 
zweckmäßig und komme den Wünschen der Kammer entgegen. Hölder an- 
erkennt die reichsfreundliche Haltung der Regierung, er wolle, um dem Mini- 
sterium Angesichts der bevorstehenden Entscheidung über den Lasker'schen An- 
trag keine Schwierigkeiten zu schaffen, für das provisorische Fortbestehen der 
Gesandtschaften stimmen, behalte sIch aber eine künftige Ablehnung vor. 
Pfeiffer findet keinen Grund, von der vorjährigen Abstimmung gegen die 
Gesandtschaften abzuweichen. Nachdem noch Wöllwarth sich in ähnlichem 
Sinne wie Pfeiffer ausgesprochen, ergreift Minister v. Mittnacht nochmals 
das Wort und entwickelt den Nutzen der noch bestehenden Gesandtschaftsposten, 
namentlich desjenigen in Wien. Hierauf wird zur Abstimmung geschritten, 
und es werden die Kosten für den Münchener Gesandtschaftsposten mit 73 
gegen 11, die für den Wiener Posten mit 73 gegen 13 Stimmen genehmigt. 
Außer den Kosten für die Gesandtschaften in München und Wien werden 
auch die für Berlin und Petersburg bewilligt. Eine Bitte um Erwägung 
der späteren Aufhebung des Wiener Gesandtschaftspostens wird durch Stich- 
entscheid des Präsidenten angenommen.