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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
der dem Papst geleistete Eid collidire mit dem staatlichen nicht, keineswegs
den wahren Gehorsam der Bischöfe gegen die Gesetze erzielt hat, gebot die
Staatsklugheit, selbst die Handhabe der Berufung auf den geistlichen Eid
zu nehmen. Einen Grund, aus dieser Auslassung gegen die Eidesformel
Einwendungen zu erheben, haben die Bischöfe nicht, weil weder im franzö-
sischen (Art. 6), noch im bayerischen (Art. 15), noch im österreichischen (Art. 20)
Concordate der Eid erwähnt wird, mithin Rom selbst dies nicht verlangt.
Wohl aber haben diese drei Concordate den auf gefährliche Verbindungen
bezüglichen Punkt. Auch der Zusatz bezüglich der Staatsgesetze ist nicht
eigentlich in der Sache neu. Denn wenn bisher die Bischöfe schwuren, dahin
zu streben, daß der Gehorsam gegen die Gesetze in den Gemüthern der Geist-
lichen und Laien gepflegt werde, so verstand sich doch ganz von selbst, daß
die Bischöfe vor Allem das bekunden mußten, was sie Anderen einprägen
wollten. Dieses, was sich von selbst verstand, ist jetzt deutlich gesagt, nichts
mehr. Gegen Mentalreservationen sich zu schützen, ist unmöglich. Dagegen
fällt es auf, daß dieser Eid nicht auch analog für die zur Leitung vacanter
Diöcesen bestellten Capitelsvicare vorgeschrieben worden ist. Diese haben
ganz dieselbe Stellung, zumal nach der päpstlichen Constitution vom 28. August.
Ohne Zweifel wird der Eid für diese gleichfalls gefordert werden.
6. Dec. (Mecklenburg.) Landtag: Die Verfassungsreform wird von
den Regierungen selbst als gescheitert anerkannt: beide übergeben dem
Landtag in Sternberg Rescripte, welche die dießfällige Vorlage zurück-
ziehen und weitere Eröffnungen vorbehalten.
Es hatten nämlich zwischen der Verfassungscommission des Landtags und
den Landtags-Commissarien der Regierungen am 18. v. Mts. mündliche Ver-
handlungen stattgefunden, wobei die Schwerin'schen Commissarien im allge-
meinen, der Strelitz'sche Commissarius durchgängig den vorigjährigen Stand-
punkt in der Vertretungsfrage aufrecht erhalten und Vorschläge der Com-
mission entgegenzunehmen sich bereit erklärt hatten. Am 20. v. M. hatte
sodann die Commission eine Sitzung gehalten, in welcher die ritterschaftlichen
Mitglieder bestimmt auf dem ständischen Princip verharrten, die landschaft-
lichen dagegen das Aufgeben desselben und die Einführung des Repräsen-
tativsystems verlangten.
7. „ (Bayern.) Die Regierung weist die Vorstellung des Episcopats
gegen die kgl. Verordnung v. 29. August betr. die Errichtung con-
fessionell gemischter Schulen sehr bestimmt zurück.
Unter eingehender Widerlegung der bischöflichen Ansichten wird in dem
Erlaß jene Verordnung nach allen Seiten gerechtfertigt und am Schlusse
hervorgehoben, daß die Staatsregierung, welche bei Erlassung der Verord-
nung vom 29. August sich strenge auf dem Boden der Verfassung bewegt
und kein anderes Ziel im Auge gehabt habe, als durch Befriedigung eines
bestehenden Bedürfnisses das Interesse des Jugendunterrichts und damit das
Wohl der Einzelnen und der Gesammtheit pflichtmäßig zu fördern, sich auch
bei der Durchführung der Verordnung auf keinen andern Standpunkt stellen
und von keinem andern Geiste leiten lassen werde.
8. „ (Preußen.) Der Bischof von Ermeland gibt einer langen Corre-
spondenz mit dem Cultminister über die Verhältnisse des Lyceum
Hosianum und des Priesterseminars in Braunsberg, worin der Mini-
ster darauf beharrt, daß der Bischof das Seminar der Aufsicht der
Staatsregierung zu unterstellen habe, seinerseits folgenden prägnanten
Abschluß:
„Die Maigesetze sind im Widerspruch mit dem Palladium der Gewissens-