Die Gesterreichisch-Angarische Monarchie. 245
6. In allen nicht als gemeinsam anerkannten Angelegenheiten wird die
Gesetzgebung von den Landtagen im Vereine mit der Krone ausgeübt.
7. Die Verwaltung der gemeinsamen Angelegenheiten ist einem Mini-
sterium übertragen.
8. Die Verwaltung der nicht als gemeinsam anerkannten Angelegenheiten
wird durch eine im Rathe der Krone vertretene Landesregierung besorgt.
9. Das Ministerium ist für die Verwaltung der gemeinsamen Angelegen-
heiten dem gemeinschaftlichen parlamentarischen Organe, die Landesregierung
aber für die Verwaltung der nicht gemeinsamen Angelegenheiten dem Land-
tage verantwortlich.
15. März. (Oesterreich.) Abg.-Haus: erledigt das Budget für 1873
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vollständig und genehmigt die ihm vom Budgetausschuß zum Budget
des Cultministeriums vorgeschlagenen Resolutionen (s. 17. Februar)
mit großer Mehrheit.
„ (Ungarn.) Unterhaus: genehmigt die ihm von der Regierung
vorgeschlagenen Steuervorlagen mit einer Mehrheit von 95 Stimmen,
worunter Ghiczy mit 14 Stimmen der gemäßigten Linken.
„ (Ungarn.) Unterhaus: Die Regierung macht demselben im Ein-
verständniß mit der cisleithanischen Regierung eine Vorlage betr. Er-
richtung einer selbständigen Escompte= (aber nicht Staats-) Bank.
„ (Oesterreich.) Herrenhaus: Debatte über die Wahlreform des
Reichsraths. Bericht des Frhrn. v. Lichtenfels. Bei der Abstimmung
wird die Vorlage mit 93 gegen 14 Stimmen (worunter 3 Polen,
1 Dalmatier, Fürst Metternich, Graf Rechberg 2c., von den czechischen
Feudalen ist keiner erschienen) angenommen, also mit 21 Stimmen
über die Zweidrittelsmehrheit hinaus.
Die Debatte ist in diesem Hause eine sehr belebte. Die Wahlreform,
wie sie vorliegt — das Bewußtsein durchdringt die ganze Versammlung, und
Frhr. v. Lichtenfels gibt diesem Bewußtsein, entgegen der Ausführung
speciell des jungen Fürsten Starhemberg, der diese Reform in entschieden
democratischer Anschauung nur als eine Abschlagszahlung auf eine B1
Zukunft gelten läßt, und mit einer in solchem Munde geradezu überraschenden
Wärme für die Heranziehung der Arbeiter zum parlamentarischen Leben plai-
dirt, nochmals einen beredten Ausdruck — bietet das, was zur Zeit möglich
und räthlich ist, was dem wilden Anstürmen des Particularismus gegen den
Reichsgedanken ein Ziel setzt und, indem es den vollen Strom des Volks-
bewußtseins unmittelbar in die Reichsvertretung leitet, die das Volk bewegen-
den Ideen zum ungefälschten Ausdruck bringt. Die Bedeutung der That-
sache, daß zwei hervorragende Vertreter nichtdeutscher Nationalitäten, ein
griechisch-katholischer Erzbischof (der neue Metropolit Hackmann) und ein
italienischer Graf (Consolati) es sind, welche für den echt österreichischen Ge-
danken der Reform, für den Gedanken, alle Nationalitäten des weiten Reichs
zur gleichberechtigten Mitwirkung an den staatlichen Aufgaben in der Re-
präsentation des Reichs zu versammeln, Zeugniß ablegen, hebt der Minister
des Innern noch besfonders hervor, indem er den wesentlich conservativen
Character der Vorlage betont — eines Ausflusses desjenigen allein berech-
tigten gesunden Conservativismus, der nicht Stillstehen oder Rückschritt be-
deute, sondern den ruhigen, stetigen und organisch sich entwickelnden Fort-
schritt sich zum Ziel setze.
(Ungarn.) Unterhaus: Die von demselben niedergesetzte Com-
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