Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

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Die Oesterreichisch-Angarische Monarchie. 
Theil Ihrer Thätigkeit war der Pflege der volkswirthschaftlichen und 
Verkehrsinteressen gewidmet. Insbesondere find durch Ihre Mitwirkung Mittel 
und Wege geschaffen worden, um neue Schienenverbindungen herzustellen und 
alle Länder des Reichs der Wohlthat dieses Verkehrsmittels theilhaftig werden 
zu lassen. Durch eine Reihe internationaler Verträge hat der Post-, Tele- 
graphen= und Handelsverkehr mit dem Ausland eine wesentliche Förderung 
erfahren. Der Aufschwung des vollswirtschaftlichen Lebens und die stetige 
Zunahme des Staatscredits geben gegründete Hoffnung auf die baldige und 
vollständige Regelung des Staatshaushalts. Die zur Verbesserung der peru- 
niären Lage des Beamtenstandes erforderlichen Mittel haben Sie in reich- 
lichem Maße gewährt, und mit wiederholter Bereitwilligkeit für die Ver- 
mehrung der Einkünfte der niedern Geistlichkeit Sorge getragen. Mit dank- 
barem Herzen gedenke Ich der Theilnahme, womit Sie in angestammter Treue 
und Anhänglichkeit die schmerzlichen und freudigen Ereignisse in Meinem 
Hause begleitet haben. Nur wenige Tage trennen uns noch von dem groß- 
artigen Schauspiel der Entfaltung aller Kräfte und Bestrebungen der In- 
dustrie und Cultur. Ihrer Unterstützung ist es zu danken, daß Oesterreich 
dem friedlichen Wettstreit aller Culturvölker der Erde eine würdige Stätte 
zu bereiten vermochte. Unter günstigen Verhältnissen tritt das große Unter- 
nehmen ins Leben: der Friede Europa's ist ungetrübt und Oesterreich nach 
allen Richtungen hin in erfreulichem Aufschwung begriffen. Mit dem frohen 
Ausblick auf die gesicherte und gedeihliche Entwicklung unseres theueren Vater- 
landes und mit dem erneuerten Ausdruck Meines kaiserlichen Dankes und 
Wohlwollens erkläre Ich die Session des Reichsraths für geschlossen und 
entlasse Sie in Ihre Heimath.“ 
  
25. April. (Oesterreich: Tyrol.) Die Jesuiten leisten dem Befehl der 
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Regierung, ihre ohne Bewilligung errichtete Niederlassung in Tramin, 
wo ihre Zahl bis auf 72 Mitglieder angewachsen war, aufzugeben, 
Folge und wandern meist aus. Es ist dies der erste Fall der practi- 
schen Handhabung des im vorhergehenden Jahre gegen neue Jesuiten- 
Ansiedlungen gerichteten Regierungserlasses. 
„ (Oesterreich.) Die sog. deutsche Partei (die „Jungen“) hält 
einen deutsch-österreichischen Parteitag in Wien und macht damit einen 
Versuch, statt der Führer der sog. verfassungstreuen Partei (der „Alten") 
die Leitung der Wahlen der gesammten liberalen Parteien in die Hand 
zu nehmen. 
„ (Oesterreich-Ungarn.) Die ungarische Delegation hat ihre 
Verhandlungen bereits beendigt, die österreichische beginnt dieselben erst. 
Graf Andrassy gibt ihr eine einläßliche Darlegung seiner auswärtigen 
Politik und feiert in der rückhaltslosen Zustimmung der Delegation 
einen entschiedenen Triumph. 
Graf Andrassy gibt bezüglich der Stellung Oesterreichs zur eventuellen 
Papstwahl bei aller gebotenen Discretion im übrigen, doch die nicht mißzu- 
verstehende Erklärung ab, daß er dem Kaiser „nie rathen werde, auf irgend 
ein Recht, welches er besitzt, zu verzichten.“ Die Delegation fügt ihrer Be- 
willigung des Budgets die Resolution hinzu: daß sie „die gegenwärtigen 
guten Beziehungen der Gesammtmonarchie zu den übrigen europäischen 
Mächten mit Befriedigung begrüße, und in der consequenten Durchführung 
der von dem Ministerium des Auswärtigen seit dem letten Krieg einge- 
schlagenen Politik die zuversichtliche Gewähr für den Fortbestand derselben 
erblicke."“