Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

Vie Oesterreichisch-ngarische Monarchie. 253 
Regierung steht, kann gewählt werden. Die Legislatur-Periode endlich dauert, 
statt jetzt drei, in Zukunft vier Jahre. 
22. Juli. (Oesterreich-Ungarn.) Erzh. Albrecht geht zur Begrüßung 
31. 
des Czaaren nach Warschau. Die Verständigung zwischen Rußland 
und Oesterreich-Ungarn ist augenscheinlich im Fortschreiten begriffen. 
„ (Oesterreich-Ungarn.) Ankunft des Schahs von Persien in 
Wien, wo er wie überall in Europa glänzend fetirt wird. 
Anf. Aug. (Oesterreich.) Conflict der Staatsgewalt mit dem Erzb. von 
15. 
Olmütz, Landgraf v. Fürstenberg. 
Am 9. Juni d. J. ward zwischen der österreichisch-ungarischen Regierung 
und der italienischen Eine Uebereinkunft auf diplomatischem Wege geschlossen, 
kraft deren sich beide Staaten gegenseitig verpflichteten, die in ihnen etwa 
vorkommenden Todesfälle der Angehörigen des anderen Staates ordnungs- 
mäßig zur Anzeige zu bringen. Zu diesem Behufe nun hatte die italienische 
Regierung der österreichisch-ungarischen eine Anzahl von italienischen Todten- 
schein-Formularen zur Uebermittlung an die betreffenden Matrikelführer über- 
sandt, damit diese in den Stand gesetzt seien, die betreffenden Anzeigen auf 
administrativem Wege und in vorgeschriebener gesetzlicher Weise zu erledigen. 
Graf Andrassy, als Chef des gemeinsamen Ministeriums der auswärtigen 
Angelegenheiten, übergab diese Formulare dem cisleithanischen Ministerium 
des Innern, und Baron Lasser wies dieselben den einzelnen Statthaltern 
zur Vertheilung an diejenigen Organe zu, welche mit Führung der Todten- 
register betraut sind, d. h. die katholischen Pfarrer. Die meisten Statthalter 
kamen dieser Weisung direct nach, verständigten den Curatclerus ihrer Pro- 
vinz vom Inhalt der abgeschlossenen Conventionen und legten einige der 
eingesandten italienischen Formulare bei. Anders der Statthalter von Mähren, 
Baron Weber, den man mit Recht oder Unrecht feudal-förderalistischer Ten- 
denzen zeiht; er schlug diesen Weg nicht ein, sondern wandte sich an den 
Fürst-Erzbischof von Olmütz, damit dieser auf kir lichem Wege den Pfarrern 
die Regierungs-Mittheilung zugehen lasse. Der Erzbischof aber weist nun 
ohne Weiteres die Regierungs-Verordnung zurück, da ein solches Verfahren 
ein Auflehnen gegen die unveräußerlichen Rechte des heiligen Vaters ent- 
halte, da der Kirchenstaat einen Theil, freilich einen räuberisch gestohlenen 
Theil, des italienischen Gebietes bilde, und weil es das Königreich Italien 
anerkennen heiße, wenn man königlich italienische Todtenscheine amtlich aus- 
fülle. Zu solcher Schmach aber will der olmützer Kirchenfürst seine Hand 
nicht bieten und schlägt ohne Weiteres der Statthalterei gegenüber nicht nur 
seine Mitwirkung, sondern auch diejenige seines Diöcesan-Clerus ab. Kurz, 
der Erzbischof erkennt das Königreich Italien noch nicht an, und natürlich 
eben so wenig einen internationalen Vertrag, den Oesterreich mit diesem 
usurpatorischen Staat“ geschlossen. 
„ (Ungarn.) Vollständige Entmilitarisirung der Militärgränze. 
Der letzte Schritt zu der durch die kaiserlichen Verordnungen vom 8. und 
19. Juni 1872 und das Gesetz des ungarischen Reichstages vom 15. Juni 
1873 vorbereiteten Auflösung und Einverleibung der Militärgränze in das 
ungarische Verwaltungsgebiet wird vollzogen: ein kaiserliches Manifest, wel- 
ches sich an die Grenz-Infanterie-Regimenter Nr. 1, 2, 3, 4, 7, 8, 9, 10 
und 11 richtet, verkündet die Gleichstellung der Gränzer mit den Bewohnern 
Ungarns auch in militärischer Beziehung. Schon am 1. October d. J. treten 
die Gesetze über die allgemeine Wehrpflicht, die Landwehr und den Landsturm 
in der Militärgränze in Kraft, und somit ist der letzte Rest der vor Jahr- 
hunderten aufgerichteten Militärgränz-Institution factisch beseitigt.