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Die Oesterreichisch-AUngarische Monarchie.
hinzufügen sollen: auch an sich — gedacht, als an die Interessen des Gesammt-
vaterlandes? Man muß den Wählern etwas mitbringen — hieß es — und
jetzt sehen es Wähler und Gewählte ein, daß, was mitgebracht worden, auch
bezahlt werden müsse. Die Regelung der Verwaltung war seit 1867 oft
angeregt worden, aber es war dafür leider kein Sinn vorhanden; mit grö-
ßeren Fragen hatten wir stets zu thun, und vorzukehren, was die Ordnung
betraf, hatte nahezu einen antiliberalen Beigeschmack; Pünktlichkeit hieß
Pedanterie, systematisches Vorgehen Bureaukratismus."“ Man begreift, daß
eine solche Strafpredigt nicht ganz nach dem Geschmack der herrschenden
Partei ist, darum geben sie die Blätter der Deakpartei auch nur in einem
forr abgeschwächten Auszug. „Läge die Schuld allein an uns Ministern“,
chloß Szlavy, „so wäre leicht zu helfen."
Koloman Ghiczy, bisher neben Tisza Führer der Linken, legt sein
Mandat nieder, weil er mit der bisherigen Politik seiner Partei nicht
mehr einverstanden ist, bewirbt sich aber doch wieder um die Ver-
tretung seines bisherigen Wahlkreises Komorn, von dem er auch neuer-
dings gewählt wird.
10. Nov. (Oesterreich.) Abg.-Haus: Die Verfassungspartei constituirt
sich in vier getrennten Fractionen: die Linke (die sog. Alten) unter
Führung Herbst's, das linke Centrum (der Großgrundbesitzer) unter
der Führung Kellersperg's die Fortschrittspartei (die sog. Jungen)
unter Kopp und Groß und endlich die (6) Democraten als äußerste
Linke.
10. Nov. (Oesterreich.) Abg.-Haus: wählt Rechbauer (Fortschrittspartei)
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zu seinem Präsidenten, Vidulich (Linke) und v. Kellersperg (linkes
Centrum) zu seinen Vicepräsidenten.
„ (Oesterreich.) Abg.-Haus: Der Finanzminister de Pretis legt
demselben einen Gesetzesentwurf vor, der die Regierung ermächtigt,
eine Silberanleihe bis zu achtzig Millionen Gulden aufzunehmen, von
der Nationalbank gegen Hinterlegung des Silberbetrages Banknoten
bis zu gleichem Belaufe zu entnehmen und, so lange eine vortheilhafte
Ausführung dieser Creditoperation unmöglich, die nöthigen Beträge
durch eine schwebende, aus den Darlehenseingängen zu tilgende Schuld
aufzubringen.
Ein Theilbetrag ist zur Förderung des Baues derjenigen Eisenbahnen zu
verwenden, deren Herstellung zu sichern die Regierung gesetzlich ermächtigt
ist. Ferner sollen für die Dauer des dringendsten Bedürfnisses dort, wo ez
nöthig ist, Vorschußkassen errichtet werden, dazu bestimmt, den Creditbedürf-
nissen des Handels= und Gewerbebetriebes durch Vorschüsse gegen Sicherheit
abzuhelfen. Die Sicherheit kann bestehen: in der Verpfändung innerhalb
des Staatsgebietes lagernder, dem Verderben nicht ausgesetzter Waaren, Boden-
und Bergwerks-Erzeugnisse, dann Fabrikate, höchstens bis zur Hälfte des
Schätzungswerthes; in der Verpfändung an einer Börse notirter Werthpapiere
unter Abrechnung von mindestens einem Drittel des Marktpreises. Die Vor-
schüsse können auf drei, ausnahmsweise sechs Monate gewährt, auch Prolon-
gationen bewilligt werden. Das Maximum der Vorschußdauer im Ganzen
ist einjährig. Der Zinsfuß wird auf die Dauer des Vorschusses festgesetzt,
kann im Falle der Prolongation erhöht werden und muß mindestens 8 Pro-
zent betragen. Der Zinsertrag der Vorschußkassen wird zur Deckung der