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Die Oesterreichisch-Ungarische Monarchie.
gebung in die erste Linie, er gett aber weit über die Thronrede hinaus,
indem er auf den baldigsten Abschluß der Verhandlungen mit Ungarn über
die künftige Stellung der Nationalbank dringt, die unerläößliche Vorbedin-
gung zur Herstellung der Valuta; er fordert mit allem durch die Umstände
gebotenen Ernst die strengste Sparsamkeit im Staatshaushalt und die end-
liche Inangriffnahme der so oft verheißenen Steuerreform. Der Entwurf
constatirt sodann — die gegenwärtigen Zustände begeichnet er als „der Auto-
rität des Staates abträglich und für die öffentliche Moral verderblich" —
die Unaufschiebbarkeit der confessionellen Vorlagen, und spricht,
abermals über die Thronrede hinausgehend, die Erwartung aus, daß die
Glaubens= und Gewissensfreiheit zur Wahrheit gemacht und die Staatshoheit
gegenüber der Kirche voll gewahrt werde. Die Weltausstellung wird mit
glücklichem Tact als eine vom Kaiser selbst der redlichen Arbeit dargebrachte
Huldigung aufgefaßt, der Fürsten-Begegnungen namentlich insofern gedacht,
als die Darlegung der innigen Beziehungen zu den Souveränen der „großen
Nachbarstaaten“ die Bürgschaften für die Erhaltung des Weltfriedens wesent-
lich vermehren mußte, und endlich mit freudigem Danke für die Resultate
fünfundzwanzigjähriger ernster Regentensorge auf das nahe Kaiser-Jubiläum
hingewiesen, das alle Völker Oesterreichs versammelt finden werde, mitzu-
arbeiten an dem Aufbau eines mächtigen, von den Ideen des Rechts und
der Freiheit (Worte der Thronrede) getragenen Staates.
Graf Hohenwart, der Führer der föderalistischen Opposition ent-
täuscht die auf sein erstes Auftreten gespannte politische Welt, indem
er gar keine Rede hält, sondern bloß im Namen des von ihm prä-
sidirten Clubs die Erklärung abgibt: er und seine Freunde würden
sich an der Adreßdebatte nicht betheiligen, weil ihre Betheiligung als
eine Anerkennung der April-Verfassung (Wahlreform) gedeutet werden
könnte, während sie in derselben vielmehr eine Verletzung der Länder-
rechte erblickten. Bei der Abstimmung wird die Adresse mit allen
gegen die Stimmen der Föderalen und der Polen angenommen.
20. Nov. (Oesterreich.) Abg.-Haus: Da die Session des Reichsraths
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vor Neujahr nur eine sehr kurze sein wird, weil die Landtage dem-
nächst zusammentreten sollen, an eine rechtzeitige Erledigung des Bud-
gets für 1874 also nicht zu denken ist, so bewilligt das Haus die
Forterhebung der Steuern für die ersten drei Monate des Jahres 1874.
„ (Oesterreich: Tyrol.) Die Frage der Jesuitenfacultät an der
Universität Innsbruck ist nach dem Wunsche des Cultministers erledigt:
die Jesuiten haben den von ihnen verlangten Eid geleistet und sind
nunmehr regelrechte k. k. Professoren, worin jedoch die liberale öffent-
liche Meinung eine nichts weniger als befriedigende Erledigung der
Frage erblickt.
„ (Oesterreich--Ungarn.) Der Kaiser ernennt den Grafen Paar
zum Botschafter beim päpstlichen Stuhle, wodurch dem ziemlich langen
und vielleicht absichtlichen Interregnum während der Krankheit des
verstorbenen Baron Kübeck ein Ende gemacht wird. Graf Paar ist
dem Vatican persona grata.
„ (Oesterreich: Böhmen.) Der Cezechenclub beschließt, daß die
chechischen Abgeordneten nicht bloß dem Reichstag, sondern auch dem