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die Bank festgesetzten Summe von jährlich 200 Mill. Fr. auch in Zu-
kunft keine Reduction stattfinden dürfe. In diesem Falle weist aber
das Budget für 1874 ein Defizit von 170 Mill. aus, welche durch
neue Steuern oder Erhöhung der bisherigen gedeckt werden müssen.
18. Juni. Nat.-Versammlung: gesteht die Verfolgung des Dep. Ranc wegen
Betheiligung an der Commune mit 450 gegen 250 Stimmen zu.
Ranc entzieht sich derselben, indem er nach Belgien übertritt.
„ Der Präfect von Lyon, Duoerot, gestattet Civilbegräbnisse fortan
nur noch früh Morgens vor 6 Uhr und setzt sie damit der städtischen
Mistausfuhr gleich.
20. „ Wiederum machen zahlreiche Abgeordnete zur Nat.-Versammlung
eine Demonstrationswallfahrt dießmal nach Paray-le-Monial. Demon-
stration für Elsaß-Lothringen.
Seit einem Monat schon pilgern die gläubigen Franzosen schaarenweise
nach dem Ort, um den Himmel anzuflehen, „daß er den Papst befreie und
Frankreich wieder zu der dominirenden Nation in Europa mache.“ Man
etet dort zu dem heil. Herzen Jesu, und der Refrain des Liedes, welches
die Pilger ohne Aufhören singen, lautet: Siegreicher Gott! rette Frankreich
und Rom, im Namen des heiligen Herzens. Eine besonders große Anzahl
von Pilgern aus Paris, Lille, Brest, Bayonne, Boulogne, Arras, Metz, dem
Elsaß, Lourdes u. s. w. hat sich an diesem Tage dort eingefunden. Die
Pilger selbst tragen alle rothe Kreuze auf der Brust, welche sie vor ihrer
Abreise erhalten und die mit der nämlichen Formel geweiht worden, wie
die Kreuze derer, die sich einst nach dem gelobten Lande begaben, um es den
Ungläubigen zu entreißen. Die Zahl der Banner, die sich in Paray-le-Monial
befinden, beträgt bereits 950. Darunter befinden sich auch die aus Metz
und aus dem Elsaß, die mit großem Jubel begrüßt werden. Daß die Wall-
fahrt hauptsächlich gegen Deutschland und Italien gerichtet ist, zeigen die
Demonstrationen, welche an diesem Tage bei dem Aufzug der Elsässer und
Lothringer stattfinden. Die Banner, welche dieselben mitgebracht, sind die
der Städte Neubreisach, Metz und Straßburg. Das Straßburger Banner
trägt der Jesuitenpater Jenner, der Jesuit Stumpf das Metzer. Diese drei
Banner werden von den Pilgern mit besonderer Begeisterung begrüßt. Der
General Sonnis, der mit dem päpstlichen Zuaven-General Charette anwesend
ist, küßt dieselben und sagt zu dem aus Straßburg ausgewiesenen General-
Vicar Rapp: „Eines Tages wird Ihnen der Elsaß zurückgegeben werden“,
und Charette fügt hinzu: „Man hat Sie aus dem Elsaß verjagt; wir wer-
den Sie dorthin zurückführen!“ Abends hält der Jesuit Stumpf eine An-
sprache an die Elsaß-Lothringer und spricht sich folgender Maßen aus:
„Meine Brüder aus dem Elsaß und Lothringen! Eure hiesige Anwesenheit
zeigt, daß euer Herz von einer doppelten Liebe beseelt ist: von der Liebe zu
dem heiligen Herzen und von der Liebe zu Frankreich! Die imposante Kund-
gebung, deren Zeugen ihr seid, unterstützt euren Glauben und eure Hoffnung.
Kehrt zu euren Landsleuten zurück und sagt ihnen, daß das heilige Herz sie
segnet und daß Frankreich sie erwartet. Euer Wort wird mehr als eine
Prophezeiung sein; es ist die Gewißheit einer Thatsache, welche bald unsere
Traurigkeit verscheuchen wird. Fallen wir hier, wo unser Herr Jesus Chri-
stus erschienen ist, auf die Kniee und rufen wir ihm für Elsaß zu: Herz
Jefu, rette uns!“ Bei der Grocesson, die dann stattfindet, wird das be-
kannte „Gott der Gnade — Gott, Erretter, — Rette Rom und Frankreich —
Durch dein heiliges Herz!“ gesungen, was aber der Jesuitenpater Jenner
noch für den besonderen Fall folgender Maßen abgeändert hat: „Gott der