Frankreich. 355
doppelsinnigen Worte verbergen kann. Die Schüler Calvin's riefen einige
abtrünnige Krisster zu Hilfe und reichten Ungläubigen die Hand, welche von
Katholiken nur den Namen haben, um in Genf ein kleines Schisma zu ver-
anstalten, das nur lächerlich wäre, wenn man nicht über die Opfer dieser
kirchenschänderischen Comödie Thränen vergießen müßte. Die Bischöfe ver-
jagen, die rechtmäßigen Pfarrer erst aus ihren Kirchen vertreiben und dann
vor die Gerichte schleppen, einer ganzen Klasse von Bürgern Glaubens-Gesetze
und -Verfassungen mit Gewalt aufzwingen, das sind in Solothurn, wie in
Genf die Heldenstücke jener Männer, welche sich für die Apostel der Duld-
samkeit ausgeben und Alle, die anders denken als sie, nur zu bedrücken ver-
stehen. Ja, das sind die Früchte jenes vielgepriesenen Liberalismus, der
einem Jeden die Gewissensfreiheit zu verbürgen versprach“ u. s. w. Seine
wüthendsten Blitze schleudert der Bischof von Angers aber natürlich gegen
Deutschland: „Es ist klar, sagt er, meine christlichen Brüder, daß ein so
kleiner Staat sich nicht solche Missethaten gegen die katholische Kirche erlaubt
hätte, wenn er nicht von höherem Orte Aufmunterungen und ein Losungs-
wort empfangen hätte. Diesen Gegner, dessen Hand sich überall fühlbar
macht, wo dem Katholicismus eine Schmach angethan wird, wir brauchen
ihn Euch nicht zu nennen. Gleich bei Beginn des letzten Krieges sagten wir
Euch, daß es sich nicht nur um ein Duell zwischen Frankreich und Preußen
handelte, sondern daß die katholische Kirche die Folgen der Niederlage zu
tragen haben würde. Unser Feind verwahrte sich gegen diese Worte als
gegen eine Verleumdung, und seine offiziösen Organe machten es uns per-
sönlich zum Vorwurfe, daß wir einem, wie sie sagten, ganz persönlichen
Kampfe einen solchen Character gäben. Ach, wie rasch hat er unsere leichte
Prophezeiung gerechtfertigt! Kaum war er Herr des Terrains, so kehrte er
seine ganze Wuth gegen die Katholiken seiner Staaten, welche ihn gleichwohl
in seinen Plänen mit mehr Treue als Einsicht (clairvoyance) unterstützt
patten: Und was sehen wir jetzt in Preußen? Die geistlichen Orden ver-
olgt und ohne Erbarmen gehetzt; die Bischöfe der wichtigsten Befugniß
ihres Amtes, nämlich der Ernennung der Seelenhirten beraubt; Civilbeamte,
welche sich das Recht anmaßen,die Heranbildung der Geistlichen zu regeln,
und als wollte man zu dem Gehässigen noch das Lächerliche gesellen, eine
winzige, von dem preußischen Staate patronirte Secte, die sich für die katho-
lische Kirche ausgibt, wie in gewissen Anstalten Kranke sich Titel beilegen,
den sich Niemand die Mühe nimmt, ihnen streitig zu machen; ein Häuflein
Renegaten und an ihrer Sitze einen davongelaufenen Priester, dessen frühere
Schriften eine ausdrückliche Verurtheilung von alledem sind, was er heute
schreibt und denkt. Hier wollen wir dem heiligen Vater das Wort lassen“
u. s. w. Der Rest des bischöflichen Pamphlets wendet sich dann gegen die
Freimaurer und die Unterrichtsliga.
Noch dröhnender ist der Hirtenbrief des Bischofs Plantier. Dieser
knüpft an frühere Kirchenverfolgungen an und fährt dann fort: „Das Bis-
marck'sche Deutschland wollte diese elende und unstttliche Ueberlieferung fart
setzen. Ah, die edlen Bischöfe von Posen, Köln, Paderborn, Ermeland u. s. w.
wollen nicht mit dem Berliner Papst marschiren: nun denn, mgn wird sich
ihrer Dienste begeben. Ein meineidiger Priester wird gewählt, ein sogenannter
Bischof von Deventer weihte Reinkens zum Pontifex der „Altkatholiken“.
Um ihn schaarte sich mit dem alten Döllinger, der nur noch eine dahin-
seecheme Ruine ist, eine Handvoll Priester, welche den Stempel des Thieri-
chen oder der Empörung, vielleicht auch beide zugleich, auf der Stirn tragen.
Die Genfer und die Berner Regierung sind ebenso leicht zu befriedigen. Ein
ehedem berühmter Mönch, welcher sich nach dem Vorbilde Luther's durch
irgend einen Pastor mit irgend einem Weibe hat trauen lassen, das er, wie
man sagt, bekehrt hatte, als er noch das Mönchsgewand trug — das ist das
Ehrenvollste, was die schweizerischen Cäsaren finden konnten u. s. w.“ Es
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