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Die pupstliche Curie.
von Gott eingesetzt ist für den Frieden der Seelen und ihr ewiges Heil.
Nun sind aber die Obliegenheiten dieser doppelten Gewalt sehr weise geregelt
in der Art, daß man Gott geben soll, was Gottes ist und dem Kaiser, was
des Kaisers ist. In der That: Wenn der Kaiser (Cäsar) groß ist, so ist er
doch kleiner als der Himmel, denn der Kaiser hängt von dem ab, von dem
der Himmel und jedes Geschöpf abhängt! Tertull. apolog. cap. 30. Nun
hat sich die Kirche gewiß nie von dieser göttlichen Vorschrift entfernt, sie,
die überall und immer sich Mühe gibt, den Geist ihrer Gläubigen mit der
Unterwerfung zu erfüllen, die sie ihren Fürsten und den weltlichen Rechten
der Fürsten gegenüber unverbrüchlich zu bewahren wünscht. Immer hat die
Kirche mit dem Apostel gelehrt, daß die Fürsten da sind nicht zum Schrecken
derer, die das Gute, sondern zum Schrecken derer, die das Böse thun, und
sie befiehlt, daß die Gläubigen gehorchen sollen nicht allein aus Furcht vor
dem Zorn des Fürsten und weil derselbe das Schwert trägt, um zu bestrafen,
wer Böses thut, sondern auch des Gewissens halber und weil in seinem Amte
der Fürst der Diener Gottes ist. Röm. 13, 3 seqq. Aber diese Furcht vor
dem Fürsten hat die Kirche nur empfohlen in Bezug auf böse Thaten und
schließt sie vollständig aus von allem, was den Gehorsam des göttlichen Ge-
setzes betrifft. Denn sie erinnert sich dessen, was der heilige Petrus den
Gläubigen lehrt: „Niemand aber unter euch leide als ein Mörder oder Dieb,
oder Uebelthäter, oder als einer, der fremdes Gut verlangt. Leidet er aber
als gein Chris, 10“ schäme er sich nicht, ehre aber Gott in solchem Falle.
1. Pet. 4, 14, 15.
„Da sich die Sache so verhält, ehrwürdige Brüder, so begreift ihr leicht,
welcher Schmerz Unsere Seele hat erfüllen müssen, als Wir neulich in einem
Briefe, den Uns der Kaiser von Deutschland selbst schickte, eine eben
so schroffe als unerwartete Anklage gegen einen Theil — wie dort gesagt ist
— der Katholiken lasen, die seine Unterhanen sind, besonders aber gegen den
katholischen Clerus von Deutschland und gegen die Bischöfe. Und was ist
der Grund dieser Anklage: Nun, daß dieselben weder Gefängniß noch Drang-
sale scheuend und ihr Leben nicht höher schätzend als ihre Seele Act. 20,
24, sich weigern, den Gesetzen zu gehorchen, deren Wir Erwähnung gethan
haben, und zwar mit der nämlichen Standhaftigkeit, die sie bewiesen haben,
evor dieselben erlassen waren, als ihre Einsprache die ganze Ungerechtigkeit
dieser Gesetze darlegte und als sie sich darüber in gewichtigen Bittschriften
aussprachen, Denkmälern von Kraft und Festigkeit, gerichtet an den Fürsten,
an seine Minister, die höchsten Versammlungen des Königreichs, unter dem
Beifalle der ganzen katholischen Welt und selbst mehrerer Leute der Anders-
gläubigen. Das ist der Grund, weshalb man sie heute des Verbrechens des
Verrathes anklagt, als seien fe im Einverständnisse und conspirirten mit
denjenigen, die jede Ordnung der menschlichen Gesellschaft einstürzen wollen,
und das trotz der zahllosen und glänzenden Proben, die ihre unverbrüchliche
Treue, ihren Gehorsam gegen den Fürsten und ihren brennenden Eifer für
die Interessen des Vaterlandes in's hellste Licht setzen. Noch mehr. Man
hat an Uns selbst das Ansinnen gestellt, diese Katholiken und diese ehrwür-
digen Hirten zum Gehorsam gegen die Gesetze zu ermahnen, was so viel
heißt, wie uns vorschlagen, eigenhändig mit daran zu arbeiten, daß die
Herdde Jesu Christi unterdrückt und zerstreut werde. Aber wir haben, auf
ott bauend, die Zuversicht, daß der Allergnädigste Kaiser, wenn er die
Sache besser erwogen und erkannt haben wird, einen so unglaublichen und
so schlecht begründeten Verdacht zurückweisen wird, den er gegen seine treuesten
Unterthanen gefaßt hat, und daß er nicht länger dulden wird, daß ihre Ehre
so schändlichen Angriffen ausgesetzt werde, oder daß man eine unverdiente
Verfolgung gegen sie noch mehr verlängere. Wir würden übrigens an dieser
Stelle diesen Brief vollständig mit Stillschweigen übergangen haben, wenn
er nicht vom Amtsblatte von Berlin ohne Unser Wissen und gegen die übliche