I.
Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
1. Januar. (Preußen.) Der Kaiser und König ernennt den Kriegs-
minister Grafen Roon statt des Fürsten Bismarck zum Ministerpräsi-
denten und gibt ihm den General v. Kameke mit dem Titel und Rang
eines Staatsministers zum Stellvertreter im Kriegsministerium.
Die betreffenden Cabinetsordres stehen augenscheinlich nicht ganz im Ein-
klang mit derjenigen vom 21. Dec. 1872, durch welche Fürst Bismarck seinem
Ansuchen entsprechend vom Ministerpräsidium enthoben und nur noch als Mini-
ster des Auswärtigen Mitglied des Preuß. Staatsministeriums, mit dem Recht
sich im Verhinderungsfalle durch den Präsidenten des Reichskanzleramtes v. Del-
brück vertreten zu lassen, geblieben war. Damals ordnete der König einfach
an, daß das Präsidium des Staatsministeriums an den „ältesten Minister“
übergehe. Jetzt wird Graf Roon nicht bloß als ältester Minister, sondern
ausdrücklich und persönlich zum Ministerpräsidenten ernannt. Die Zweithei-
lung des Kriegsministeriums geht thatsächlich dahin, daß General v. Kameke
die ganze Kriegsverwaltung Preußens übernimmt, Graf Roon aber nur den
Vorsitz in den Bundesausschüssen für Landheer und Festungen behält, offenbar,
weil der König wünscht, daß Graf Roon als solcher das mit erheblichen
Mehrforderungen verbundene Armeeorganisationsgesetz noch durch den Reichs-
tag bringen möge. Die öffentliche Meinung ist darüber einig, daß dieses
ganze Arrangement keineswegs den letzten Wünschen des Fürsten Bismarck
entspreche. Inzwischen gibt ihm der Kaiser davon Kenntniß in einem äußerst
verbindlichen Handschreiben unter dem wiederholten Ausdrucke seiner Anhäng-
lichkeit und Dankbarkeit. Die Einrichtung entbehrt jedenfalls der Einfachheit,
indem fortan in Preußen Bismarck als Minister des Auswärtigen dem
Grafen Roon als Kriegsminister, im Reiche dagegen umgekehrt Roon als
Präsident der Ausschüsse für Landheer und Festungen dem Fürsten Bismarck
als Reichskanzler untergeordnet ist und scheint auch nicht auf die Dauer
berechnet zu sein, da, wie allgemein bekannt ist, Roon sich aus Gesundheits-
rücksichten ganz zurückzuziehen wünscht und das Ministerpräsidium nur auf
den ausdrücklichen und dringenden Wunsch des Kaisers zu übernehmen sich
entschlossen hat. Daß die Maßregel nicht eine dem Reichskanzler gegenüber
geradezu feindselige sei, erklärt die offiz. Prov.-Corr. (Eulenburg) ausdrück-
lich: „Das Ministerium Roon, in welchem Fürst Bismarck als Mitglied
verbleibt, kann und soll nichts anderes sein, als eine Fortführung des Mini-
steriums Bismarck in demselben Geist und in derselben Richtung."
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