Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

414 Schweiz. 
modifizirt dagegen den ihm gleichfalls von der Regierung vorgelegten 
Entwurf eines neuen Pfarrwahlgesetzes mehrfach in liberalem Sinne. 
30. Nov. (Baselland.) Das Volk verwirft im Referendum mit erdrücken- 
dem Mehr die ihm vom Landrath zur Genehmigung vorgelegten (ab- 
solut nothwendigen) Schul= und Besoldungsgesetze, letzteres nun schon 
zum zweiten Male. 
„ (Neuenburg.) In der allg. Volksabstimmung über die vom 
Verfassungsrathe beschlossene Revision der Art. 30 und 33 der Ver- 
fassung betr. Ausdehnung des Wahlrechts auf sämmtliche im Kanton 
niedergelassene Schweizerbürger siegen die Radicalen mit 3800 gegen 
1200 Stimmen. 
„ (Genf.) Die kath. Pfarrer von Carouge, Chéne und Lancy ver- 
weigern den neuen durch das kath. Cultusgesetz vorgeschriebenen Eid, 
wodurch sie ihrer Stellen verlustig gehen und Neuwahlen durch die 
Gemeinden selber eintreten müssen. In allen drei Gemeinden besitzen 
die freisinnigen Katholiken schon von vornherein die Mehrheit. 
„ (Graubünden.) Der kleine Rath des Kantons beharrt gegenüber 
der bischöflichen Curie auf der endlichen Ausführung der großräthlichen 
Verordnung von 1854, daß kath. Geistliche und Candidaten, welche 
ohne das vorgeschriebene Maturitätsexamen ein Amt antreten, vom 
Staate nicht anerkannt werden. 
4. Dec. (Bern.) Die Regierung von Bern beschwert sich bei derjenigen 
von Luzern über ein Schreiben des abgesetzten Bischofs Lachat an die 
kath. Jurassier. Die letztere macht den Bischof auf ihre sogleich bei 
seiner Uebersiedlung nach Luzern von ihr ausgesprochenen Erklärungen 
und Vorbehalte neuerdings aufmerksam und erklärt ihm des bestimm- 
testen, daß sie die Mitverantwortlichkeit für allfällige Folgen derartiger 
Amtshandlungen auf dem Gebiete derjenigen Kantone, die ihn nicht 
mehr anerkennen, ausdrücklich ablehne. 
9. „ (Bern.) Die Regierung sieht sich gegenüber der überwiegend 
ultramontanen Bevölkerung des französischen Jura und ihrer steigenden 
Widersetzlichkeit gegen ihre Anordnungen zu immer weiter gehenden 
Maßregeln gedrängt. Eine neue Verfügung der Regierung lautet: 
„In Erwägung, daß nur die von der Regierung eingesetzten staatlich 
anerkannten Geistlichen zur Ausübung des öffentlichen Gottesdienstes befugt 
ind: daß gegen alle andern nicht staatlich anerkannten und durch gerichtliches 
rtheil abgesetzten Pearrer nur die Ausübung eines Privatgottesdienstes 
innert den Schranken der Staatsverfassung erlaubt ist, diese letzteren sich aber 
erwiesenermaßen einer Ueberschreitung dieser Competenzen schuldig machen 
und dadurch die öffentliche Ruhe und Ordnung stören, so daß eine Ahndung 
solcher Handlungen geboten erscheint, beschließt die Regierung: 1) Allen 
abberufenen oder keine staatliche Ermächtigung hiezu besißenden katholischen 
Geistlichen ist jede geistliche Verrichtung irgend welcher Art in allen unter 
staatlicher Aufsicht stehenden und einer öffentlichen Zweckbestimmung dienenden 
Gebäulichkeiten und Localitäten (Kirchen), Kapellen und dergl., öffentlichen 
Schulgebäuden, Getreidehäusern 2c. strengstens verboten und untersagt; 2)
	        
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