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den nämlichen sind ferner untersagt alle Functionen in öffentlichen Schulen
und Unterrichtsanstalten, sowie in den Behörden selber; 3) gestattet ist den
Geistlichen die Ausübung des Gottesdienstes in Localitäten, die keiner öffent-
lichen Bestimmung dienen; verboten dagegen ist ihnen ferner die Theilnahme
im Ornat an Leichenzügen und Processionen auf öffentlichen Straßen. Auch
den Lehrern und Lehrerinnen an öffentlichen Schulen ist untersagt, die Schul-
kinder in den Gottesdienst oder die Christenlehre solcher Geistlichen zu führen.
4) Wenn ein Privatgottesdienst oder ein sonstiger Anlaß dazu mißbraucht
wird, um Glaubenshaß oder Verfolgung wegen religiöser Bekenntnisse oder
Ansichten zu stiften, sowie um gegen die vom Staat eingesetzten Geistlichen
und gegen die Anordnungen und Erlasse der Staatsbehörden aufzureizen,
so werden die Schuldigen, sofern nicht bereits ein mit Strafe bedrohtes Ver-
gehen vorliegt, mit einer Buße von 100—200 Fr. bestraft. Im Rückfall
ist die für den ersten Fehler ausgesprochene Buße angemessen zu erhöhen.
Ueberdieß können Versammlungen und Zusammenkünfte, in denen folche
Handlungen begangen werden, von Polizei wegen aufgelöst werden. Den
Beamten und Angestellten wird zur Pflicht gemacht, unnachsichtlich einzu-
schreiten in Fällen von Amtsanmaßung und Friedensstörung."
12. Dec. In Folge der Enchyclica des Papstes vom 21. Nov. d. J. be-
schließt der Bundesrath, dem päpstl. Nuntius in der Schweiz seine
Pässe mit folgender Zuschrift zuzustellen:
„Der Bundesrath hat unterm 8. d. Mts. durch die Gesandtschaft der
schweizerischen Eidgenossenschaft bei Sr. Maj. dem König von Italien vom
offiziellen Wortlaute eines Actenstückes Mittheilung erhalten, welches „Epistola
Enc#yclica“ betitelt und von S. H. dem 7 Pius IX. unterm 21. Nov.
1873 an die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe und Bischöfe der katholischen
Kirche gerichtet ist. Wenn dieses Actenstück, das in der Schweiz, wie es das
Recht der Preßfreiheit gestattet, in seinem ganzen Umfange publicirt worden
ist, sich auf Promulgation von Entscheidungen des höchsten Pontifex der
römischen Kirche über Lehrfragen oder kirchliche Disciplin beschränkte, so
würde der Bundesrath sich mit demselben nicht beschäftigen. Er hat bisher
die Glaubensfreiheit der verschiedenen Confessionen respectirt und wird sich
bemühen, daß dieselbe immer respectirt wird. Durch seine Vorschläge, welche
er schon vor einigen Monaten der schweizerischen Bundesversammlung zur
constitutionellen Regulirung der kirchlichen Fragen gemacht, hat er den Be-
weis geleistet, was der Hr. Geschäftsträger des hl. Stuhls bei einer jüngsthin
stattgefundenen Besprechung mit dem Präsidenten der Eidgenossenschaft selbst
anerkannt hat, daß er gegenüber allen Culten vom Geiste der Gerechtigkeit
und der Unparteilichkeit sich leiten läßt. Allein die Encyclica Multa luctuosa
vom 21. November 1873 enthält ausdrücklich gegen verschiedene gesetzlich auf-
gestellte Behörden in der Schweiz sowie gegen gewisse Entscheidungen, welche
von diesen Behörden regelmäßig gefaßt worden sind, die directesten Anschul-
digungen der schwersten Art. Unter der Zahl dieser Anschuldigungen befindet
sich auch die, es sei dem öffentlichen Glauben Gewalt angethan worden
(obstante etiam data publica füde), sowie die, es sei die Ausweisung eines
Priesters aus dem schweizerischen Gebiet ein schändlicher und schimpflicher
Act sowohl für Diejenigen, welche ihn angeordnet, als auch für Diejenigen,
welche ihn vollzogen haben (foeda et indecora mandantibus atque exsequen-
tibus). Obwohl die weltliche Macht des Papstes nicht mehr besteht, so hat
der schweizerische Bundesrath dennoch geglaubt, bis jetzt die diplomatischen
und offiziellen Bcziehungen zum hl. Stuhl fortsetzen zu sollen. Er hat dieß
aus Rücksicht gegenüber dem höchsten Pontifex und seiner gegenwärtigen Lage,
aus persönlicher Hochachtung für den gegenwärtigen Geschäftsträger des hl.
Stuhls und aus Achtung vor den religiösen Gefühlen der katholischen
Schweizer gethan. Indem aber in Mißachtung dieser Verhältnisse und der