Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

10. Schweden und Norwegen. 
Anf. Jan. (Schweden.) Das Resultat der Neuwahlen zum Reichstag 
20. 
ist der Regierung nichts weniger als günstig. 
Die Opposition oder die sog. Landmannpartei (weil ihre Mitglieder meist 
aus Landleuten besteht) geht nicht, wie die Regierung gehofft hatte, geschwächt, 
sondern verstärkt aus den Wahlen hervor: von 192 Mitgliedern der II. Kam- 
mer sind mindestens 120 entschiedene Anhänger dieser Partei. Dagegen ist 
die Regierungs= oder Intelligenzpartei als gänzlich aufgelöst zu betrachten. 
Dieß hat sich auch thatsächlich dadurch gezeigt, daß die Personen, welche 
jener Partei bisher angehörten, soweit sie wiedergewählt sind, mit einigen 
andern Glaubensgenossen eine neue Partei gebildet haben, welche man etwa 
als Centrum bezeichnen könnte, wenn es in der Kammer eine Rechte gäbe. 
Die Partei wird zunächst den gemäßigten Fortschritt repräsentiren, und wenn 
man auch im Allgemeinen annehmen kann, daß dieß der Standpunkt der 
Regierung ist, so kann diese doch wohl nicht mehr so unbedingt wie früher 
auf den Beistand der Partei rechnen, so daß die Stellung der Regierung 
sich gegen früher unbedingt verschlechtert hat. Merkwürdig ist übrigens die 
Analogie, die in dieser Beziehung zwischen den Reichstagsverhältnissen Däne- 
marks und Schwedens besteht. Auch in Dänemark ist die intelligente oder 
doctrinäre Partei der Nationalliberalen vollständig machtlos geworden; auch 
bier hat sich in der zweiten Kammer eine Mittelpartei gebildet, der es frei- 
ich noch nicht geglückt ist, die nationalliberalen Elemente zu sich herüber- 
zuziehen, und endlich ist auch im dänischen Folkething die Macht der Oppo- 
sition der Linken, oder Bauernpartei, bedeutend gewachsen. Wenn man auch 
annehmen darf, daß gegenwärtig noch die radicalen Parteien in Dänemark 
und Schweden nicht in einem innern Zusammenhang stehen, so ist es doch 
andererseits nicht unwahrscheinlich, daß sich ein solcher Zustand mit der Zeit 
entwickeln kann, was dann zu ganz unabsehbaren Folgen führen dürfte. 
„ (Schweden.) Eröffnung des Reichstags. Erste Thronrede des 
Königs Oscar: 
„Gute Herren und schwedische Männer! Ueber fünf Jahrzehnte find 
verflossen seit der Zeit, da mein berühmter Großvater den Thron bestieg, zu 
welchem ihn das schwedische Volk durch freie Wahl berufen hatte. Diese 
Zeit ist für unser Vaterland eine Zeit des Friedens gewesen. Vermehrter 
Wohlstand, glückliche Staatsentwicklung und ungestärte Zusammenwirkung 
zwischen Regierung und Volk sind ihre auszeichnenden Züge gewesen. Karl. 
Johann wurde ein Schwede, und sein Geschlecht hat eine Ehre darein gesetzt, 
es zu sein. In der Liebe des Volkes sah der Stammvater seine Belohnung, 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.