Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

Die ottomannische Pforte. 147 
Suezcanals nach den Wünschen des Hrn. v. Lesseps und der franz. 
Actiengesellschaft. Die Vertreter der Großmächte beharren jedoch auf 
der schließlichen internationalen Entscheidung in dieser Frage. 
— Mai. (Türkei.) Die Absetzungen und Ernennungen bez. der höchsten 
Staatsämter ohne ersichtliche Gründe, rein nach den wechselnden Launen 
des Sultans, nehmen ihren bisherigen Fortgang. Eine irgend wie 
consequente Staatsverwaltung ist dabei geradezu unmöglich. 
8. Juni. (Aegypten.) Der Khedive von Aegypten erwirkt sich während 
seines Aufenthalts in Konstantinopel einen neuen Ferman des Sul- 
tans, der ihm wenn auch nicht in der Form, doch thatsächlich ein 
vollständig unabhängiges Regiment über Aegypten sichert. Derselbe 
lautet: 
„Die durch unseren kaiserlichen Ferman vom 2. Rabiul-Ewel 1257 für 
Aegypten festgestellte Thronfolgeordnung ist in der Weise abgeändert worden, 
daß die ägyptische Khedivenwürde auf deinen ältesten Sohn übergeht, von 
diesem auf seinen ältesten Sohn und so weiter für alle nachfolgenden; d. h. 
daß die Succession kraft des Rechts der Primogenitur erfolge, im Interesse 
einer guten Verwaltung Aegyptens und des Wohls seiner Bevölkerung. 
„Da ich mich des ferneren überzeugt habe, mit welcher Sorgsamkeit du 
um Aegypten bemüht bist und welche Anstrengungen du machst, die Pro- 
sperität des Landes zu fördern, dessen Größe und Wichtigkeit meinem Auge 
offenbar ist, wie auch die Treue und Ergebenheit, wovon du mir stets Be- 
weise gegeben hast, habe ich dir meine Gunst und mein Vertrauen zuge wendet, 
und um dir einen unverkennbaren Beweis davon zu geben, setze ich hiemit 
für die Thronfolgeordnung in Aegypten als Regel fest: daß die Regierung 
in Aegypten und seinen Dependenzen, ferner das Kaimakamat von Souakin 
und Massaua sammt ihren Dependenzen obiger Bestimmung gemäß auf deinen 
altesten Sohn übergehen und nach ihm, kraft des Rechts der Primogenitur, 
auf die ältesten Söhne derer, welche Khedives sein werden. Im Fall ein 
künftiger Khedive keine männlichen Nachkommen hinterlassen sollte, geht die 
Khedivenwürde auf den ältesten seiner nachgebornen Brüder über, und sollte 
auch ein solcher nicht vorhanden sein, auf den ältesten Sohn seines nach- 
gebornen Bruders. Diese Regel soll als definitive Richtschnur gelten. Auf 
männliche Kinder in der weiblichen Descendenz findet sie keine Anwendung. 
„Um die Sicherheit dieser Successionsordnung nach Kräften zu verbürgen, 
wird die Regentschaft, welche das Land während der Minderzjährigkeit eines 
Herrschers zu verwalten hat, in folgender Weise geregelt: Wenn beim Ab- 
leben des Khedive sein ältester Sohn minorenn ist, d. h. weniger als 18 
Jahre zählt, so ist er, obgleich minorenn, nichtsdestoweniger Khedive kraft 
seines Successionsrechts, und sein Ferman soll unverzüglich ausgefertigt wer- 
den. Wenn der verstorbene Khedive bei Lebzeiten rirtenschaftebeitummunern 
in einem Document getroffen hat, welches durch zwei hohe Staatsbeamte 
als Zeugen des Actes contrafignirt sein muß, so sollen der Regent und die 
Regentschaftsmitglieder, welche als solche bezeichnet sind, sofort die Leitung 
der Regierungsgeschäfte in die Hand nehmen und meine hohe Pforte davon 
in Kenntniß setzen, und meine kaiserliche Regierung wird den Regenten und 
die Regentschaftsmitglieder für die Dauer ihres Amtes bestätigen. Die Re- 
gentschaft soll aus denjenigen Beamten gebildet werden, welche an der Spitze 
des Ressorts des Innern, des Krieges, der Finanzen, der auswärtigen An- 
gelegenheiten, des Justizrathes, der Armee und der Generalinspection stehen. 
Bei Ernennung des Regenten sollen sie folgendes Verfahren beobachten: 
„Die genannten Verwaltungschefs wählen den Regenten aus ihrer Mitte.
	        
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