Die ottomannische Pforte. 147
Suezcanals nach den Wünschen des Hrn. v. Lesseps und der franz.
Actiengesellschaft. Die Vertreter der Großmächte beharren jedoch auf
der schließlichen internationalen Entscheidung in dieser Frage.
— Mai. (Türkei.) Die Absetzungen und Ernennungen bez. der höchsten
Staatsämter ohne ersichtliche Gründe, rein nach den wechselnden Launen
des Sultans, nehmen ihren bisherigen Fortgang. Eine irgend wie
consequente Staatsverwaltung ist dabei geradezu unmöglich.
8. Juni. (Aegypten.) Der Khedive von Aegypten erwirkt sich während
seines Aufenthalts in Konstantinopel einen neuen Ferman des Sul-
tans, der ihm wenn auch nicht in der Form, doch thatsächlich ein
vollständig unabhängiges Regiment über Aegypten sichert. Derselbe
lautet:
„Die durch unseren kaiserlichen Ferman vom 2. Rabiul-Ewel 1257 für
Aegypten festgestellte Thronfolgeordnung ist in der Weise abgeändert worden,
daß die ägyptische Khedivenwürde auf deinen ältesten Sohn übergeht, von
diesem auf seinen ältesten Sohn und so weiter für alle nachfolgenden; d. h.
daß die Succession kraft des Rechts der Primogenitur erfolge, im Interesse
einer guten Verwaltung Aegyptens und des Wohls seiner Bevölkerung.
„Da ich mich des ferneren überzeugt habe, mit welcher Sorgsamkeit du
um Aegypten bemüht bist und welche Anstrengungen du machst, die Pro-
sperität des Landes zu fördern, dessen Größe und Wichtigkeit meinem Auge
offenbar ist, wie auch die Treue und Ergebenheit, wovon du mir stets Be-
weise gegeben hast, habe ich dir meine Gunst und mein Vertrauen zuge wendet,
und um dir einen unverkennbaren Beweis davon zu geben, setze ich hiemit
für die Thronfolgeordnung in Aegypten als Regel fest: daß die Regierung
in Aegypten und seinen Dependenzen, ferner das Kaimakamat von Souakin
und Massaua sammt ihren Dependenzen obiger Bestimmung gemäß auf deinen
altesten Sohn übergehen und nach ihm, kraft des Rechts der Primogenitur,
auf die ältesten Söhne derer, welche Khedives sein werden. Im Fall ein
künftiger Khedive keine männlichen Nachkommen hinterlassen sollte, geht die
Khedivenwürde auf den ältesten seiner nachgebornen Brüder über, und sollte
auch ein solcher nicht vorhanden sein, auf den ältesten Sohn seines nach-
gebornen Bruders. Diese Regel soll als definitive Richtschnur gelten. Auf
männliche Kinder in der weiblichen Descendenz findet sie keine Anwendung.
„Um die Sicherheit dieser Successionsordnung nach Kräften zu verbürgen,
wird die Regentschaft, welche das Land während der Minderzjährigkeit eines
Herrschers zu verwalten hat, in folgender Weise geregelt: Wenn beim Ab-
leben des Khedive sein ältester Sohn minorenn ist, d. h. weniger als 18
Jahre zählt, so ist er, obgleich minorenn, nichtsdestoweniger Khedive kraft
seines Successionsrechts, und sein Ferman soll unverzüglich ausgefertigt wer-
den. Wenn der verstorbene Khedive bei Lebzeiten rirtenschaftebeitummunern
in einem Document getroffen hat, welches durch zwei hohe Staatsbeamte
als Zeugen des Actes contrafignirt sein muß, so sollen der Regent und die
Regentschaftsmitglieder, welche als solche bezeichnet sind, sofort die Leitung
der Regierungsgeschäfte in die Hand nehmen und meine hohe Pforte davon
in Kenntniß setzen, und meine kaiserliche Regierung wird den Regenten und
die Regentschaftsmitglieder für die Dauer ihres Amtes bestätigen. Die Re-
gentschaft soll aus denjenigen Beamten gebildet werden, welche an der Spitze
des Ressorts des Innern, des Krieges, der Finanzen, der auswärtigen An-
gelegenheiten, des Justizrathes, der Armee und der Generalinspection stehen.
Bei Ernennung des Regenten sollen sie folgendes Verfahren beobachten:
„Die genannten Verwaltungschefs wählen den Regenten aus ihrer Mitte.