Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

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Die ottomannische Pforte. 
Die Wahl kann auf Einstimmigkeit oder auf Stimmenmehrheit beruhen. 
Falls die Stimmen sich auf zwei Candidaten gleichmäßig vertheilen sollten, 
so soll derjenige, welcher das wichtigste Amt bekleidet, und zwar mit dem 
Ressort des Innern angefangen, zum Regenten gewählt werden, während die 
übrigen Mitglieder den Regentschaftsrath bilden. Sie übernehmen die Lei- 
tung der Regierungsgeschäfte und machen meiner hohen Pforte davon Mit- 
theilung, welche sie in ihren Functionen bestätigen wird. Keinesfalls aber 
darf eine Personalveränderung vorgenommen werden, mögen nun der Regent 
und die Mitglieder des Regentschaftsrathes vom Khedive bei seinen Lebzeiten 
eingesetzt oder die Negentschaft durch Wahl constituirt worden sein. Wenn 
eines der Regentschaftsmitglieder mit Tod abgeht, so sollen die Ueberlebenden 
eine Neuwahl vornehmen und einen andern ägyptischen Beamten an seine 
Stelle ernennen. Stirbt der Regent selber, so wählen die Mitglieder des 
Regentschaftsrathes seinen Nachfolger aus ihrer Mitte und in die Stellung, 
welche der neugewählte Regent im Regentschaftsrath einnahm, einen andern 
ägyptischen Beamten als Stellvertreter. Sobald der minorenne Khedive das 
Alter von 18 Jahren erreicht hat, wird er als majorenn angesehen, und er 
ergreift selber die Zügel der Regierung. 
„Ich lege den höchsten Werth auf die Prosperität Aegyptens, auf das 
Wohlergehen, die Ruhe und die Sicherheit seiner Bevölkerung, und da dieß 
Dinge sind, welche von der civilen und finanziellen Verwaltung wie von der 
Förderung der materiellen und anderweitigen Landesinteressen abhängen, so 
zählen wir im Nachfolgenden alle Privilegien mit ihren Abänderungen und 
Erklärungen auf, welche meine kaiserliche Regierung, sei es vor längerer oder 
kürzerer Frist, der ägyptischen Regierung zugestanden hat, damit sie für immer 
im Besitze der Khedives und ihrer Nachfolger verbleiben. 
„Die civile und finanzielle Verwaltung des Landes und alle seine mate- 
riellen wie sonstigen Interessen in jeder Hinsicht ressortiren von der ägypti- 
schen Regierung und sind ihr anvertraut; und da die Verwaltung, die Ord- 
nung im Lande, die Entwicklung des Reichthums und der Prosperität der 
Bevölkerung durch die Harmonie der Verhältnisse, durch den Character und 
die Sitten der Einwohner bedingt werden, so wird der Khedive von Aegypten 
ermächtigt, so oft er es für nöthig hält, dießbezügliche Gesetze und Verord- 
nungen zu erlassen. Er wird gleichfalls ermächtigt, unbeschadet der Staats- 
verträge meiner hohen Pforte, mit den Agenten der fremden Mächte Con- 
ventionen abzuschließen, sowohl was Zölle und Handelsverkehr als auch was 
die übrigen Beziehungen zu den Ausländern und alle innern und sonstigen 
Landesangelegenheiten betrifft, und zwar zu dem Behufe, Handel und In- 
dustrie zu entwickeln, wie auch das Verhältniß zu den Ausländern, ihre 
Situation und alle ihre Beziehungen zu der Regierung und der Bevölkerung 
u regeln. 
„Dem Khedive steht die volle und uneingeschränkte Leitung der Finanz- 
angelegenheiten des Landes zu. Er besitzt das Recht, aus eigener Macht- 
vollkommenheit Namens der ägyptischen Regierung Anleihen jeder Art im 
Auslande zu negociiren, so oft er es für nöthig ütt 
„Da die erste und wesentlichste Pflicht des Khedive in dem Schutz und 
der Vertheidigung des Landes besteht, so hat er das unbedingte Recht, alle 
Schutz= und Vertheidigungsmaßregeln und Anstalten zu treffen, je nach der 
Anforderung der Zeit und des Ortes und je nach Bedürfniß, ohne an irgend 
welche Gränze gebunden zu sein, die Zahl meiner kaiserlichen Truppen in 
Aegypten zu vermehren oder zu verringern. 
„Dem Khedive verbleibt das Vorrecht, militärische Rangerhöhungen bis 
zum Grad eines Obersten und civile Rangerhöhungen bis zum Grad eines 
Routbe Sanie vorzunehmen. 
„Die in Aegypten geprägten Münzen sollen in meinem kaiserlichen Namen 
geprägt werden; die Fahnen der Land= und See-Truppen sollen die nämlichen