Die ottomannische Pforte. 451
Pariser Vertrags haben, indem sie diese eigenthümliche Lage bestätigten, an-
etkannt, daß die durch den suzeränen Hof abgeschlossenen internationalen
Verträge in gleicher Weise für die Fürstenthümer verbindlich seien, und daß
sie nach wie vor hier ihre volle Anwendung erhalten würden. Da die
Selbständigkeit dieser Vasallenländer auf diese Weise bestimmt ist, sollte kein
Zweifel über die Frage bestehen, ob ihre Regierungen direct mit den fremden
Mächten Verträge abschließen können; jedoch diese Regierungen haben nichts-
destoweniger schon mehr als einen Vertrag dieser Art abgeschlossen. Dieser
Zustand der Dinge, der pichn weniger als auf den Rechten und Präroga-
tiven des suzeränen Hofes fußt, hat die Aufmerksamkeit der bohen Pforte
erregt. Andererseits, da diese Verletzungen der Bestimmungen der Selbstän-
digkeit der Fürstenthümer eines Tags den Interessen Dritter schaden und zu
Reclamationen Anlaß geben könnten, so sindet sich die kaiserliche Regierung
veranlaßt, von nun an förmliche Vorbehalte zu machen gegen jeden von
diesen Fürstenthümern ausgehenden Act, der einen internationalen Character hat."
6. Oct. (Aegypten.) Eröffnung der internationalen Conferenz der Groß-
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mächte über die Differenzen bez. des Suezcanals in Konstantinopel.
„ (Türkei.) Differenz mit Oesterreich wegen den bosnischen Flücht-
lingen (13. Sept.). Die Pforte beantwortet die Denkschrift derselben
mit einem Memorandum, in welchem der österr. Generalconsul in
Bosnien aufs heftigste angegriffen wird. Andrassy verlangt dafür
eine eclatante Genugthuung.
„ Die steigende Finanznoth zwingt zu außerordentlichen Maßregeln.
Die offiziellen Blätter verkünden mit großem Geräusch: Auf Befehl
des Sultans werden die Moscheengüter säcularisirt, mehrere den Auf-
schwung des Landes hindernde Steuern, auch die Grundsteuer, aufge-
hoben, die Tabackregie auf das ganze Reich ausgedehnt, die Ausbeu-
tung der Forsten, Bergwerke auf dem öffentlichen Submissionswege
vergeben, die Stempel= und Einregistrirungssteuern im ganzen Reiche
eingehoben, erhebliche Ersparungen, namentlich in großen Gehaltsbe-
zügen, durchgeführt. Die Commission unter Vorsitz des Großwessiers
wird das Gleichgewicht des Budgets herstellen. Unbefangenere Beob-
achter erklären aber sofort, daß die angeblichen großen Maßregeln nur
bestimmt seien, Europa Sand in die Augen zu streuen und daß sie
praktisch schnell genug auf ein sehr bescheidenes Maß zusammen schwin-
den würden. Um der augenblicklichen Finanzverlegenheit zu wehren,
stellt der Sultan dem Ministerium 7 Mill. Pfd. aus seinen „Erspar-
nissen“ zur Verfügung.
„ (Türkei.) Die Pforte anerkennt den Mglsr. Kupelian, das Haupt
der anti-römischen Armenier (der sog. Anti-Hassunisten), mittelst eines
Investitur-Berats unter dem Titel eines Patriarchen der orientalischen
Armenier.
2. Nov. (Türkei.) Die Pforte gibt bez. der Bosnischen Differenz die
von Andrassy geforderte Genugthuung: der Vali von Bosnien wird
abberufen, die Flüchtlinge aus Bosnien können unbehelligt dahin zurück-
kehren.
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