Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 41 
ciplinarentscheidungen findet nur dann statt, wenn dieselben von dem Ober- 
präsidenten nach erfolgter Prüfung der Sache für vollstreckbar erklärt worden 
sind. Die Vollstreckung erfolgt im Verwaltungswege. 
II. Berufung an den Staat. 
§ 10. Gegen Entscheidungen der kirchlichen Behörde, welche eine Dis- 
ciplinarstrafe verhängen, steht die Berufung an die Staatsbehörde offen: 
1) wenn die Entscheidung von einer durch die Staatsgesetze ausgeschlossenen 
Behörde ergangen ist, 
2) wenn die Vorschriften des § 2 nicht befolgt worden sind, 
3) wenn die Strafe gesetzlich unzulässig ist, 
4) wenn die Strafe verhängt ist: 
a. wegen einer Handlung, zu welcher die Staatsgesetze oder die von 
der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Anordnungen 
verpflichten, 
b. wegen Ausübung oder Nichtausübung eines öffentlichen Wahl- 
oder Stimmrechts, 
c. wegen Gebrauchs der Berufung an die Staatsbehörde auf Grund 
dieses Gesetzes. 
§ 11. Die Berufung findet außerdem statt, wenn 
1) die Entfernung aus dem kirchlichen Amte (§ 2 Absatz 2) als Dis- 
ciplinarstrafe oder sonst wider den Willen der davon Betroffenen aus- 
gesprochen worden ist und die Entscheidung für eine willkürliche 
erachtet wird, 
2) nach erfolgter vorläufiger Suspension vom Amt das weitere Verfahren 
ungebührlich verzögert wird. 
§ 12. Die Berufung steht Jedem zu, gegen welchen die Entscheidung 
ergangen ist, sobald er die dagegen zulässigen Rechtsmittel bei der vorgesetzten 
kirchlichen Instanz ohne Erfolg geltend gemacht hat. 
Liegt ein öffentliches Interesse vor, so steht die Berufung auch dem Ober- 
Präsidenten zu, jedoch erst dann, wenn die bei den kirchlichen Behörden an- 
gebrachten Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben sind oder die Frist zur Ein- 
legung derselben versäumt ist. 
§ 13. Die Berufung ist bei dem königlichen Gerichtshof für kirchliche 
Angelegenheiten schriftlich anzumelden. 
Die Frist zur Anmeldung beträgt in den Fällen des § 10 für den durch 
die Entscheidung Betroffenen vier Wochen. Sie beginnt mit Ablauf des 
Tages, an welchem die Entscheidung amtlich zu seiner Kenntniß gelangt ist. 
In den Fällen des § 11 und für den Ober-Präsidenten (§ 12, Absatz 2) ist 
die Berufung an keine Frist gebunden. 
§ 14. Durch Einlegung der Berufung wird die Vollstreckung der ange- 
fochtenen Entscheidung aufgehalten. Der Gerichtshof ist jedoch befugt, die 
vorläufige Vollstreckung zu gestatten; andern Falles kann die Einstellung der 
Vollstreckung von dem Gerichtshofe durch Geldstrafe bis zum Betrage von 
1000 Thalern erzwungen werden (vgl. § 8). 
§ 15. Die Berufung ist innerhalb vierzehn Tagen nach der Anmeldung 
schriftlich zu rechtfertigen. Diese Frist kann auf Antrag verlängert werden. 
§ 16. Die Anmeldung und die Rechtfertigungsfrist wird der kirchlichen 
Behörde zur Abgabe einer schriftlichen Erklärung und Einreichung der Acten 
innerhalb vier Wochen zugefertigt. Die Einreichung der Akten kann geeig- 
netenfalls durch Geldstrafe bis zum Betrage von 1000 Thalern erzwungen 
werden (vgl. § 8). 
 § 17. Der Gerichtshof trifft die zur Aufklärung der Sache erforderlichen 
Verfügungen. 
Die Beweisverhandlungen sind unter Zuziehung eines vereideten Proto- 
kollführers aufzunehmen. 

	        
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