Mebersicht der Ereignisse des Jahres 1873. 565
englischen Volkes für seinen männlichen Brief an den Papst und dem
deutschen Volk die Sympathie der englischen Nation in seinem Kampfe
gegen den Ultramontanismus auszudrücken. 2*
Die Kundgebung kam der preußischen Regierung gerade von n
dieser Seite vermuthlich sehr erwünscht. Seit dem Schluß der Ses— wischen
sion des Reichstags und des preußischen Abgeordnetenhauses hattegirche!, in
sich der Kampf der Staatsgewalt gegen die Hierarchie, der sich bisher Preuben.
auf einige vorläufige Schläge und auf die Debatten der Volksvertretung
beschränkt hatte, auf der ganzen Linie entwickelt. Denn nun galt es,
die sog. Maigesetze gegen die Hierarchie praktisch durchzuführen, und
sofort löste auch die Hierarchie ihr Wort ein, daß sie sich jenen Ge-
setzen nicht fügen werde. Die erste Maßregel des Staats war gegen
die geistlichen Seminarien aller Art gerichtet. Die Maigesetze geben
der Regierung das Recht und die Pflicht, von diesen Seminarien Ein-
sicht zu nehmen, um sich von dem Zustande und den Leistungen der-
selben in allen nicht rein theologischen Lehrfächern zu überzeugen und
sie nur so weit zu dulden, als ihre Leistungen denjenigen der Staats-
anstalten, mit denen sie concurriren sollen, wesentlich gleich ständen.
Denn der Staat verlangt und mit vollem Recht, daß seine Geistlichen
aller Confessionen durch ihre Vorbildung in allem demjenigen, was
das wissenschaftliche Gemeingut der gebildeten Classen der Nation in
unserer Zeit ist, hinter diesen in keiner Weise zurückstehen, während
jene Seminarien gerade dazu bestimmt sind, die zukünftigen Cleriker
gegen die moderne Wissenschaft förmlich abzusperren und in einem
Ideenkreise festzuhalten, wie er Rom und seinem Interesse dient. Die
Bischöfe wollten daher den vom Staate beauftragten Inspektoren wohl
erlauben, die Räumlichkeiten ihrer Seminarien aller Art in Augen-
schein zu nehmen und sich von der Zweckmäßigkeit derselben in sani-
tarischer Beziehung zu überzeugen, verweigerten ihnen aber die Einsicht
der Lehrpläne so wie alle und jede Theilnahme am Unterrichte selbst.
Die nächste Folge davon war, daß der Staat erklärte, diese Semi-
narien nicht weiter als solche anerkennen zu können, in welchen die
zukünftigen Cleriker ihre Vorbildung sich ebenso gut erwerben könnten,
wie in den vom Staat erstellten Gymnasien. Die Bischöfe gaben
nicht nach. Da ging auch der Staat um einen Schritt weiter, indem
er jenen Seminarien die ihnen bisher aus Staatsmitteln gewährten
Zuschüsse entzog. Auch diese Maßregel bewirkte nicht, daß die Bischöfe