Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

Nebersicht der Greignisse des Tahres 1873. 571 
tionen nichts auszurichten vermag und allein ziemlich ungefährlich ist. 
Ihnen, und zwar namentlich ihnen gegenüber hielten denn auch die 
Nationalliberalen und die Fortschrittspartei zusammen und behaupteten 
das Feld. Sie zusammen errangen allein 251 Sitze oder 35 über 
die absolute Majorität hinaus, ohne die Minister, die Freiconservativen 
und die Neuconservativen zu rechnen, von denen allen sicher anzuneh- 
men war, daß sie in den meisten Fragen, zumal den Ultramontanen 
gegenüber, fest zur Regierung stehen würden. Es lag in diesem Re- 
sultat ein gewaltiger Triumph der Politik des Fürsten Bismarck und 
des neuen Preußens, wie es sich unter seiner Leitung im Laufe des 
letzten Jahrzehents ausgewachsen hat. Zwei Monate später, in den 
ersten Tagen des Jahres 1874, fanden hierauf auch die Wahlen zum 
Reichstag in ganz Deutschland statt und ergaben im Wesentlichen das- 
selbe Resultat. Die preuß. Regierung konnte demnach in dem großen 
Kampf mit der Hierarchie im preußischen Abgeordnetenhause auf eine 
große Majorität sicher zählen und zugleich überzeugt sein, daß auch im 
Reichstage, wenn und soweit sie desselben für jene Frage bedürfen sollte, 
eine entschiedene Mehrheit entschlossen für ihre Bestrebungen eintreten 
werde. Aber auch in den deutschen Einzelstaaten wehte der Wind das Die 
ganze Jahr durch unzweideutig allen ultramontanen Bestrebungen ent 
gegen. In Sachsen sind sie an sich völlig ohnmächtig und legte der staaten. 
Landtag überdieß sehr bestimmt an den Tag, daß er in dieser Be- 
ziehung keine Zweideutigkeit von Seite der Regierung ertrage. In 
Hessen ist die Zeit der Ketteler-Dalwigk'schen Intriguen eine völlig 
überwundene und zeigte die zweite Kammer bei jeder Gelegenheit und 
aufs entschiedenste, daß sie gegenüber allen ultramontanen Gelüsten 
nicht nur bereit sei, mit der Regierung, sondern noch weiter zu gehen, 
als es diese vorerst für angemessen erachtete. Baden geht mit Preu- 
ßen und liebt es, auch in dieser Richtung durchweg in die Fußstapfen 
Preußens zu treten. Selbst in Bayern, das die Ultramontanen nicht 
ohne Grund als ihre eigentliche Domäne in Deutschland ansehen, zeigte 
die Regierung, so vorsichtig und manchmal auch zaghaft sie vorging, 
daß sie entschlossen sei, die ultramontane Partei nicht aufkommen und 
nicht, wie sie wünschte, mit dem Feuer spielen zu lassen. Hielt sie es. 
auch wie bisher für geboten, mehr oder weniger zu lavieren und Ent- 
scheidungen möglichst aus dem Wege zu gehen, so ließ sie doch darüber 
keinen Zweifel, daß sie auch ihrerseits entschlossen sei, die Rechte des
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.