Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 83 
geschaffen werden kann. Das Element der evangelischen Gemeinde muß in 
der Provinzialsynode, wie im Synodalwesen überhaupt einen kräftigen Aus- 
druck finden. Die kräftige Vertretung Seitens der Gemeinde in einer Pro- 
vinzialsynode wird sich äußern in der Zusammensetzung der Zahlen und in 
der Weise, wie die Mitglieder gewählt sind. Werden sie aus den Kreissynoden 
als den bestehenden Körpern gewählt, welche ihrerseits wiederum auf den 
Gemeindekirchenräthen beruhen, so muß die Aenderung mit diesen Gemeinde- 
kirchenräthen anfangen, es muß dafür gesorgt werden, daß in ihnen das 
wirkliche kirchliche Bewußtsein der Gemeinden seinen Ausdruck findet. Der 
Modus, wie jetzt die Wahlen vollzogen werden, giebt nach meiner Ueber- 
zeugung diese Bürgschaft nicht. (Lebhafter Beifall.) Man wird also daran 
zu gehen haben, die Gemeindekirchenräthe umzugestalten, die Kreissynoden zu 
wählen und demnächst eine Provinzialsynode zu bilden. Zu den vielen 
Aufgaben derselben wird in Zukunft gehören, Organe herzustellen, welche in 
Gemeinschaft mit dem Kirchenregimente wirken sollen, die kirchenregiment- 
lichen Behörden umzugestalten. Aus solchen Provinzialsynoden werden die 
Elemente für die Generalsynode, für die Landessynode gewonnen werden, und 
deren Aufgabe wird es sein, mit der höchsten Kircheninstanz, die augen- 
blicklich den Namen „Evangelischer Oberkirchenrath“ führt, ebenfalls diesen 
Umgestaltungsmodus anzubahnen und zu Ende zu führen. (Beifall.) Nach 
Abschluß der Sache bedarf es des Votums des Landtags und zwar aus einer 
Reihe von Gründen. Es ist nicht möglich, den kirchlichen Organen der sechs 
alten Provinzen nur den Wirkungskreis zu lassen, den sie haben: ich kann 
nicht glauben, daß damit ein wahres frisches Leben möglich ist; es bedarf 
dazu eines ordentlichen Rechts= und Pflichtenkreises, und der wird vor Allem 
gewonnen, wenn auch die äußeren Verhältnisse, namentlich die Vermögens- 
verhältnisse an die anderen Organe der Kirche übertragen würden. Das 
kann nur durch eine Veränderung der Landesgesetzgebung geschehen, weil 
darauf die Bestimmungen über die Vermögensverwaltung beruhen. Ebenso 
beruhen auf ihr die Anordnungen über die Exemption gewisser Personen 
von der Gemeinde. Es bedarf aber auch die constituirte Kirche der Möglich- 
keit, die Leistungen, die sie sich selbst auferlegt, beitreiben zu können. Diese 
Gesichtspunkte leiteten mich, als ich die Position von 25,000 Thlrn. auf den 
Etat zu bringen beantragte. 
28. Febr. (Sachsen.) I. Kammer: lehnt den einige Verfassungsverände- 
rungen betr. Gesetzentwurf, der von der Regierung vorgelegt und von 
der II. Kammer angenommen worden, mit 23 gegen 13 Stimmen ab. 
1. März. (Preußen.) Abg.-Haus: genehmigt in dritter Lesung der 
zweiten Berathung die in Folge der kirchenpolitischen Gesetzentwürfe 
nothwendig gewordene Verfassungsveränderung (s. den Wortlaut unter 
d. 23. Januar) in namentlicher Abstimmung mit 228 gegen 108  
Stimmen. Danmit ist endlich diese Frage für das Abg.-Haus nach 
sechsfacher Berathung und Abstimmung erledigt. 
„ (Preußen.) Ein kgl. Erlaß, der von sämmtlichen Ministern 
gegengezeichnet ist, verfügt, daß das Eisenbahnconcessionirungswesen 
künftig wieder dem gesammten Staatsministerium unterstehen solle. 
Der Erlaß ist offenbar eine Folge der Lasker'schen Enthüllungen. 
1.—3. März. (Bayern.) Der Stadtrath von Speyer beschließt, der 
Klosterschule den bisherigen Beitrag aus städtischen Mitteln zu ent- 
ziehen und, wenn auch mit größeren Kosten, weltliche Mädchenschulen 
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