Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

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Das beuische Reich und seine rinzelnen Glieder. (Dec. 11.) 109 
Friede haben, wenn er für den Staat möglich sein soll!? Es muß doch 
ein möglicher Friede sein, nicht einer wie die Herren mit ihrem Antrage 
wegen der Verfassungsartikel wollen, nicht ein solcher, der auf eine unbedingle 
Unterwerfung des Staats hinausläust, nicht ein solcher, der das Unternehmen 
des Staats aufheben soll, in das er eingetreten ist, um der Restituirung 
seiner selbst willen, um der Wiederherstellung und Erhallung seiner Fähig- 
Eu willen allen Confessionen gerecht zu werden. Wenn ein solcher Friede 
klommen sollte, dann würde sich vielleicht kein Ausdruck hart genug finden, 
um den Eintritt in dieses Unternehmen zu brandmarken und zu kennzeichnen, 
und bedenken Sie doch eines, wenn ein solcher Friede geschlossen wird — 
die Weltgeschichte lehrt es uns, nach gemessenem Zeitraum kommen dieselben 
Fragen wieder in Betracht. und wie sollte die Staatsregierung das, was sie 
mühsam errungen hat in diesen schweren Kämpfen, ohne weiteres dahingeben? 
Nein, das mindeste, was Sie ihr entgegenhalten könnten, wäre das Wort 
aunverantwortlich“. Das ist der Standpunkt der Negierung; innerhalb 
dieser Linien wird sie es an Enlgegenkommen nicht fehlen lassen; innerhalb 
dieser Linien wird sie nicht ablassen, Uebereinslimmungen zu suchen mit der 
anderen Seite, und wird nicht aufhören, dahin zu wirken, daß sie diese 
ebereinstimmung sinde. Man hat nnn im Laufe der Zeit der Staats= 
regierung verschiedene Recepte gegeben, mit denen die Heilung der Schäden 
eintreten könne. Da ist eines von einer gewissen Eigenthümlichkeit, nämlich 
der Vorschlag, durch Nichtanwendung der Gesehe die Sache einschlafen zu 
lassen. Ob er überall da, wo ich ihn gefunden, ernst gemeint war, weiß ich 
nicht; so viel steht sen. daß die Herren vom Gentrum stets unter milder 
Auwendung Nichtamwendung verstehen; auch in der Presse, die diesen Herren 
nahe, hat es verschiedentlich verlantet: das wäre uns gang recht, wenn, wie 
in England, ein Abrogiren der Gesehze durch Nichtanwendung herbeigeführt 
würde. Nun, wenn das eine Mittel nicht geht, heißt es dann von vielen 
Seiten, daun muß die Staatsregierung aus eigener Erwägung dahin kommen, 
die Gesetze zu ändern. M. H., wir sind auch recht reichlich bedacht worden 
mit Aenderungsvorschlägen für ein einseitiges Vorgehen der Regierung. Ich 
habe wiederholt die e Voraussehungen bezeichuek, bei deren Eintritt eine Staats- 
regierung sich die Frage vorlegen könnte, ob und was etwa von den sogen. 
Maigesetzen zu ändern wäre. Der Grundgedanke dieser Aeußerungen war 
doch wohl der: daß diese Prüfung nur vorgenommen werden dürfte, wenn 
der Eintritt eines gesicherten Friedens die unbedingte Folge derselben sein 
wird. Diesen Standpunkt hält die Regierung auch heute noch fest; sie kann 
nicht früher diese Frage beantworten, als bis der Friede nicht nur geiuch, 
sondern sein Eintritt garantirt ist! Es liegt auf der Hand, daß diese 
rantie bestimmter und zweifelloser Auesicht nicht ohne Einfluß auf das m 
einer solchen Prüfung sein kann; nichtsdestoweniger kommen von Seiten, 
das doch nicht wissen können, Aenderungsvorschläge der verschiedensten urt 
o daß, wenn wir diese zusinele und untersuchten, was dann noch 
on den Geseben übrig bliebe, die Herren vom Centrum ganz Zufrieden sein 
lönnten. Es ist aber nicht die Hauptsache, warum es noch nicht gelommen 
ist zur Prüfung dieser Frage, sondern die Hauptsache ist das, was ich bei 
anderer Gelegenheit gesagt habe. Die Regierung würde ohne die von mir 
angedeutele bestimmie Zuversicht in der That ihrer Verankwortung nicht ge- 
recht werden, sie kann sich von der Ueberzeugung nicht treunen, daß minde- 
slene eine große Gefahr, wenn nicht die unbedingte Gewißheit, vorhanden 
iit, daß sie unter solchen Verhällnissen nuhlos die Position aufgeben würde, 
die sie in so schwerem Ringen eingenommen hat; sie würde daun nicht weiter 
sein, wenn die Concessionen, wenn die Aenderungen eingetreten wären, als 
früher; sie stände der Gefahr gegenüber, daß man das Geänderte schönstens,
	        
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