Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dritter Jahrgang. 1887. (28)

382 Ilalien. (November 2.—16.) 
irre zu führen. Sir Portal und Brice erreichen zurückkehrend am 3. Novem- 
ber das italienische Fort M'kullu, nachdem sie 40 Kilometer ohne einen 
Tropfen Wasser marschiert sind. Der ägyptische Dolmetsch Ahmet Effendi 
stirbt unterwegs am Hitzschlage. 
Am 7. November nimmt die Mission ihren Weg wieder auf. 
Der Brief der Königin von England an den Negus macht keine Ver- 
mittelungsvorschläge; er sagt vielmehr, daß die Ereignisse vorläufig eine 
diplomatische Einmischung unmöglich machten. Dieselbe könnte stattfinden, 
wenn die militärische Ehre Italiens Genugthuung erhielte, deren Folgen der 
Negus durch Abtretung einiger Landesgebiete beschwören könnte. 
2. November. (Afrikanische Expedition.) Die erste Ab- 
teilung des gegen Abesffinien bestimmten Expeditionskorps (115 Offi= 
ziere, 2844 Mann und 470 Pferde und Maultiere) verlassen auf 
4 Dampfern Neapel, nachdem schon am 27. Oktober der Oberkom- 
mandeur mit dem Stabe und den Spezialtruppen abgegangen ist. 
Im ganzen sollen die Truppen in Afrika auf etwa 20 000 Mann 
gebracht werden. Zum Oberkommandeur der Expedition wird General 
San Marzano ernannt. 
3. November. Der Botschafter in London, Graf Corti, 
wird plötzlich und unerwartet abberufen und in Disponibilität versetzt. 
16. November. (Kammer-Eröffnung.) Der König, von 
seinen Söhnen, den Herzogen von Aosta und Genua, begleitet und 
von lebhaften Zurufen des Volkes begrüßt, eröffnet die Kammern 
durch Verlesung einer mehrfach vom Beifall der Abgeordneten unter- 
brochenen Thronrede. Auch die Königin wohnt dem Akte bei. In 
derselben heißt es: 
Italien, welches stark in seinen Waffen, sicher seiner Verbündeten und 
befreundet mit allen Regierungen ist, schreitet auf der emporstrebenden Bahn 
weiter und geht in der Familie der großen Staaten jetzt in erster Linie. Das 
Parlament könne sich mithin in aller Ruhe und mit allem Eifer mit inneren 
Angelegenheiten und mit bereits ungeduldig erwarteten dringenden Reformen 
beschäftigen. Eine vorübergehende Vermehrung der Ausgaben für militärische 
Zwecke und öffentliche Arbeiten lasse es notwendig erscheinen, jede neue An- 
forderung an den Staatskredit zum Zwecke des Baues neuer Eisenbahnen in 
engeren Grenzen zu halten. Wenn, wie man vertrauen darf, der Friede er- 
halten bleibt, werden alle außerordentlichen militärischen Ausgaben nicht 
mehr im künftigen Budget figurieren. Um jedoch ein gutes Finanzrégime 
zu sichern, werde die Rezierung die Kammern ersuchen, ihr ausschließlich die 
Initiative in jeder Vorlage betreffend neue Ausgaben zu überlassen. Alle 
Wünsche und Bestrebungen des Königs und der Regierung seien heute der 
Erhaltung des Friedens, der auch für Italien unerläßlich sei, gewidmet. In 
diesem Wunsche nach Frieden seien die anderen großen Staaten Europa's 
mit Italien ganz im Einvernehmen. In einer anherzuropäischen Frage be- 
reite Italien eine gerechte militärische Aktion vor, wobei es der Regierung 
auch nur darauf ankomme, den ihrem guten Rechte entsprechenden Frieden 
zu sichern. Nur dadurch, daß der König und die Regierung den Grundsätzen 
treu bleibe, welchen die Nation ihre Existenz und die Dynastie ihren Ruhm
	        
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