2 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 2.—3.)
Wilhelm in tendenziöser, von diesem in der Antwort an die Hofprediger
scharf zurückgewiesener Weise auf Kosten seines erlauchten Vaters in den
Vordergrund zu schieben. Der Artikel schließt mit der Erklärung, daß all
das, was die letzten Wochen von klerikal-konservativer Seite geschehen, tat-
sächlich die Zukunftsaussichten der freisinnigen Partei nach allen Richtungen
in kräftigster Weise gefördert habe.
2. Januar. (Bulgarien.) Der „Reichsanzeiger“ wendet sich
in einer Note gegen den „Gothaischen Hofkalender“, welcher den
Prinzen Ferdinand von Koburg als „Chef des Vasallenstaates Bul-
garien“ und „Fürst Ferdinand I. Königliche Hoheit“ aufführt.
Beides sei unzutreffend. Nach den Bestimmungen des Berliner Ver-
trages sei der Prinz nicht als Fürst von Bulgarien anzusehen, weil er weder
von der Pforte noch den Mächten anerkannt sei. Das Prädikat „Kgl. Ho-
heit" komme ihm weder als Prinzen von Koburg noch wenn er wirklich
Fürst von Bulgarien wäre zu. Dieser habe nach der Verfassung den Titel
„Swetlostij“, was dem Russischen entnommen sei und Durchlaucht bedeute.
Die Ungenauigkeit des Gothaischen Hofkalenders komme daher, weil derselbe
nicht amtlich und auf die eigenen Mitteilungen der Interessenten angewiesen sei.
3. Januar. (Encyklika an die bayerischen Bischöfe.)
Papst Leo sendet eine Encyklika an die bayerischen Bischöfe, deren
aktuelle Bedeutung darin liegt, daß Leo XllI. sich mit dem Stande
der kirchlichen Angelegenheiten in Bayern nicht zufrieden erklärt.
In der allgemeinen Einleitung heißt es:
Durch die heiligste Pflicht unseres apostolischen Amtes bewogen, haben
wir viel und lange, wie ihr wißt, uns bemüht, daß die Verhältnisse der
katholischen Kirche in Preußen sich endlich einmal bessern und, wieder auf
die gebührende Stufe der Würde erhoben, entsprechend der höheren Ehre, die
sie früher genoß, gedeihen möchten. Diese unsere Absichten und Bemühungen
haben mit Gottes Hilfe und Beistand den Erfolg gehabt, daß wir den ehe-
maligen beklagenswerten Zustand gemildert haben und uns der Hoffnung
auf den vollen und ruhigen Genuß der Freiheit des katholischen Namens
daselbst hingeben können. Jetzt aber beabsichtigen wir, unsere Gedanken und
Sorgen ganz besonders auf Bayern zu richten; nicht etwa deshalb, als ob
wir glaubten, es stünde hier mit der heiligen Sache geradeso, wie es damit
in Preußen stand, sondern unser Wunsch und Begehr gehen dahin, daß auch
in diesem Königreiche, das sich des katholischen Bekenntnisses von den Zeiten
der Väter und Urgroßväter her rühmen kann, alle Mißstände, die dort herr-
schen und die Freiheit der katholischen Kirche beeinträchtigen, in geeigneter
Weise beseitigt werden. Um zur Verwirklichung dieses heilsamen Vorsatzes
zu gelangen, wollen wir einerseits alle Mittel, die sich uns sonst bieten, aus-
findig machen, andererseits unser ganzes Ansehen und unseren ganzen Ein-
fluß ohne Zögern in die Wagschale legen. Auch an euch, ehrwürdige Brüder,
wenden wir uns, wie es sich gebührt, und durch euch an all unsere heiß-
geliebten Söhne aus Bayern, um euch über all das, wovon wir glauben,
daß es sich auf die Pflege und Förderung des Glaubens und der Religion
bei eurem Volke bezieht, nach Möglichkeit Mitteilung zu machen, darüber
Ratschläge zu erteilen und in betreff desselben bei den Leitern des Staates
selbst vertrauensvoll darauf hinzuwirken.
Die Aufnahme der Encyklika in Bayern ist eine wenig freund-