Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1888. (29)

104 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 28.—30.) 
Wunden zu heilen und neue Vorkehrungen zur Abwehr ähnlicher Katastrophen 
zu treffen. Wenn den hartgeprüften Bewohnern der betroffenen Gegend ein 
Trost in ihrem Unglücke gewährt werden konnte, so ist derselbe in dem edlen 
Wetteifer mit der staatlichen Fürsorge zu finden, welcher von allen Ständen 
und allen Klassen der Bevölkerung und der Deutschen auch im fernen Aus- 
lande betätigt worden ist. Es drängt Mich, allen, die zur Linderung der 
Not beigesteuert haben, von dieser Stelle aus Meinen Dank auszusprechen. 
Geehrte Herren! Sie können am Schlusse einer Legislatur-Periode 
mit Befriedigung auf die wichtigen Ergebnisse zurückblicken, welche Dank 
Ihrem einträchtigen Zusammenwirken mit der Regierung erzielt worden find. 
Im Rückblicke hierauf vertraue Ich, daß es uns auch in Zukunft gelingen 
werde, in gemeinschaftlicher, von gegenseitigem Vertrauen getragener und 
durch die Verschiedenheit prinzipieller Grundanschauungen nicht gestörter 
Arbeit die Wohlfahrt des Landes zu fördern. Geehrte Herren! In bewegter 
Zeit habe Ich die Pflichten Meines königlichen Amtes übernommen, aber Ich 
trete an die Mir nach Gottes Fügung gestellte Aufgabe mit der Zuversicht 
des Pflichtgefühls heran und halte Mir dabei das Wort des Großen Fried- 
rich gegenwärtig, daß in Preußen der König des Staates erster Diener ist. 
28. Juni. (Großherzog von Baden.) Die „Karlsruher 
Zeitung“ teilt mit, der Kaiser habe dem Großherzog von Baden 
vor der Reichstagseröffnung ein Kabinetsschreiben überreicht, wel- 
ches demselben die Ernennung zum General-Oberst mit dem Range 
eines Feldmarschalls kundgibt. Das Schreiben besagt, der heutige 
bedeutungsvolle Tag in seinem schönen feierlichen Ausdruck für die 
Größe und Einigkeit des deutschen Vaterlandes habe in dem Kaiser 
die Gefühle der aufrichtigen Verehrung und Dankbarkeit für den 
Großherzog besonders warm angeregt. Aus den Mitteilungen des 
Großvaters kenne der Kaiser die wesentliche Mitwirkung des Groß- 
herzogs an der Neuerstehung des Reiches. Der Kaiser gedenkt mit 
tiefer Dankbarkeit, wie ihm der Großherzog jederzeit ein väterlicher, 
nützlich beratender Freund gewesen. Der Großherzog möge in der 
Beförderung den Ausdruck seiner Dankbarkeit und Liebe erkennen. 
29. Juni. Veröffentlichung eines Dank-Erlasses des Kaisers 
an den Reichskanzler (vom 26. Juni) für die Zeichen der Teilnahme 
bei dem Tode Kaiser Friedrichs. 
30. Juni. (Minister v. Wedell.) Der Kaiser hat den 
Grafen Stolberg auf dessen Ansuchen von der Verwaltung des 
Ministeriums des königlichen Hauses entbunden und den Präsidenten 
des Reichstages, Regierungs-Präsident v. Wedell-Piesdorf zum Mi- 
nister des Königlichen Hauses ernannt. 
30. Juni. (Deutschland und Rußland.) Der „Kreuz- 
zeitung“ wird aus Petersburg berichtet: Aus der nächsten Umge- 
bung des Zaren komme die Mitteilung, dem Fürsten Bismarck sei 
es gelungen, die russische Politik zu einem definitiven Abstehen von
	        
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