Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 2.—5.) 109
Das einzige Ergebnis einer solchen Agitation kann nur sein, daß die Welfen
davon Vorteil ziehen.
Immer entschiedener treten die Differenzen innerhalb der kon-
servativen Partei zu Tage. In ihrer Fehde mit der „Kreuzzeitung“
nimmt die „Konservative Korrespondenz“ das Wort zu folgender
scharfer Auslassung:
„Wir können nicht in Abrede stellen, daß innerhalb der konservativen
Presse nicht bloß „angebliche", sondern tatsächliche Meinungsverschieden-
heiten wirklich bestehen. Wir können beispielsweise, wenn die „Kreuzzeitung“
in wegwerfendster Weise von einem „Kartellstall“ und von „.Kartellträu-
mereien" spricht, nicht erklären, daß diese Ausdrucksweise die Ansicht und
den Geschmack aller Konservativen trifft, und wir können ebensowenig, wenn
dieses Blatt einen Artikel zum Abdruck bringt, in welchem von dem be-
ginnenden „Mißtrauen des kleinen Mannes gegen die konservativen Führer“
die Rede ist, dem politischen Publikum vorreden, daß wir ein derartiges Ver-
halten eines konservativen Blattes für korrekt und erfreulich halten."“
2. Juli. Der „Reichsanzeiger“ meldet die Ernennung des
Unterstaatssekretärs Herrfurth zum Staatsminister und Minister
des Innern. Bei dieser Ernennung bemerkt die „Kreuzzeitung“ mit
Bezug auf ihre Wünsche für Wiederberufung Herrn v. Puttkamers:
„Aus diesen Wünschen haben wir unsererseits nie ein Hehl gemacht
und tun es auch heute nicht. Da es nun aber einmal nicht „hat sollen
sein“, so stehen wir nicht an zu erklären, daß uns nach Lage der Dinge die
Ernennung des Herrn Herrfurth die weitaus genehmste ist."
4. Juli. Der jüngst zum General-Feldmarschall ernannte
Prinz Georg von Sachsen erhält die 2. Armee-Inspektion. Zu
dieser tritt durch Kabinetts-Ordre noch das VI. Armeekorps.
4. Juli. (Minister v. Puttkamer.) Die drei konservativen
Fraktionen des Reichstags, Herrenhauses und Abgeordnetenhauses
haben an den früheren Minister des Innern v. Puttkamer eine
Adresse gerichtet, welche nach der „N. Pr. Ztg.“ lautet:
„Wir geben dem gemeinsamen Empfinden der Vertreter der konser-
vativen Partei im Reichstage und preußischen Landtage Ausdruck, wenn wir
Ew. Exzellenz aussprechen, daß es uns stets eine Freude war, Sie als Mit-
glied der konservativen Partei an dem Platze zu wissen — von dem wir
Sie jetzt mit tiefer Betrübnis scheiden sehen. Es ist uns ein Bedürfnis
im Auftrage der Fraktionen — Ew. Exzellenz — dem tapferen Kämpfer
gegen die Feinde der Grundlagen des monarchischen und christlichen Staates
— dem umsichtigen und beredien Verfechter konservativer Prinzipien — und
dem treuen Freunde der konservativen Sache — unsern tiefgefühlten Dank
auszusprechen."“
5. Juli. (Baden: Kirchengesetz.) Nach längeren Kämpfen
wird ein Gesetz vereinbart, dessen Hauptbestimmungen sind:
Die Kirchen sind befugt, Anstalten zur theologisch-praktischen Vor-
bildung der künftigen Geistlichen zu unterhalten.
Desgleichen sind sie befugt, Pensionsanstalten (Konvikte) für solche zu