112 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli Mitte —Ende.)
Allg. Ztg.“, daß Herr v. Rauchhaupts Erklärung nicht als die des
berufenen Vertreters der konservativen Partei angesehen werden
könne, als eine Impertinenz und bestreitet die Behauptung desselben
Blattes, daß die Konservativen auf ein Bündnis mit dem Zentrum
ausgingen. Den eigentlichen Zweck der Konservativen fast sie in
die folgenden Worte zusammen:
„Die Konservativen sind augenblicklich die ausschlaggebende Partei
im Abgeordnetenhause, weil sie sowohl mit dem Zentrum, wie mit den
Nationalliberalen eine Mehrheit bilden können. Dieser Zustand hat sich seit
Jähren als ein auch für die Politik der Regierung nützlicher erwiesen; ihn
zu erhalten, das ist unser Streben, ihn durch die bevorstehenden Wahlen
dahin abzuändern, daß die Nationalliberalen in die ausschlaggebende Stelle
der Konservativen einrücken, ist die ausgesprochene Absicht der nationallibe-
ralen Partei. Will die „Nordd. Allg. Ztg.“ behaupten, daß diese unsere
Haltung den „wahren Interessen des Vaterlandes“ widerspricht?"“
Den immer schärfer sich zuspitzenden Zwiespalt innerhalb der
konservativen Partei deuten die beiden folgenden Äußerungen der
„Kreuzzeitung“ und der „Kons. Korresp.“ an. Gegen diese kehrt
sich die „Kreuzzeitung“ mit folgenden Worten:
„Die konservative Partei erlaubt sich eben den Luxus, für schweres
Geld ein Blatt zu halten, dessen vornehmste Aufgabe es zu sein scheint,
Kritik an der eigenen Partei zu üben. Warum, wird wohl vorderhand noch
das Geheimnis der Partei bleiben.“
Demgegenüber bemerkt das konservative Parteiorgan, der berufenen
Leitung der konservativen Partei stehe eine Gruppe von etwa 7 Zeitungs-
redaktionen einschließlich der hauptstädtischen gegenüber, „die Verdikte darüber
abgeben, wer „die Bezeichnung konservativ verdient“, ohne zu dieser Aus-
musterungstätigkeit mehr als ein selbsterteiltes Mandat zu besitzen, und deren
Versuch, ein Regiment des Terrorismus einer Gruppe der Konservativen über
die ganze Partei aufzurichten, wir hiermit zurückweisen."
Mitte—Ende Juli. (Meerfahrt Kaiser Wilhelms). Nach-
dem der Kaiser am 13. Juli Potsdam verlassen hat, tritt er am
folgenden Tage von Kiel aus auf der Yacht „Hohenzollern“, be-
gleitet vom Prinzen Heinrich und umgeben vom Grafen Herbert
Bismarck, dem Chef des Militärkabinets, General v. Hahnke und
seiner Suite, die Fahrt nach Petersburg an. Die wichtigsten Daten
aus dem Aufenthalt am russischen Kaiserhofe sind:
19. Juli. Begrüßung der beiden Monarchen auf hoher See
bei Kronstadt. Fahrt auf der russischen Kaiseryacht „Alexandria“
nach dem Hafen von Peterhof. Hier Empfang von seiten der Kaiserin.
Darauf Familiendiner und Ministertafel.
20. Juli. Fahrt nach Petersburg auf der russischen Yacht.
Abends Besuch des Lagers von Krasnoje Selo; daselbst großer
Zapfenstreich.