Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 20.) 113
21. Juli. Parade im Lager von Krasnoje Selo. Kaiser
Wilhelm führt sein Petersburger Grenadier-Regiment dem Kaiser
Alexander vor. Nachmittags zweiter Besuch in Petersburg. Die
ganze Stadt hat geflaggt.
22. Juli. Gottesdienst in der Petrikirche zu Neu-Peterhof.
Demselben wohnen der Kaiser Wilhelm, Prinz Heinrich, beide in
deutscher Marineuniform, Staatsminister Graf Herbert Bismarck,
sowie das kaiserliche Gefolge bei. Am Abend am Finnischen Meer-
busen großartiges Feuerwerk.
24. Juli. Abreise des Kaisers Wilhelm nach Kronstadt. Vor
derselben fand noch ein Frühstück an Bord des „Hohenzollern“ statt,
an welchem Kaiser Alexander und die Kaiserin teilnahmen.
Mitte Juli. (Zweikaiserzusammenkunft.) Die „Nordd.
Allg. Ztg.“ nimmt von einem Artikel der „Moskauer Zeitung“
Notiz, der unter der bezeichnenden Überschrift: „In Erwartung
besserer Zeiten“ die St. Petersburger Kaiserzusammenkunft bespricht.
Aus dem ganzen Artikel spreche die bekannte Böswilligkeit des
Moskauer Blattes; am stärksten vielleicht aus folgender Stelle:
„Frankreich hat zu der Zusammenkunft in der vernünftigen Über-
zeugung Stellung genommen, daß Rußland es im kritischen Augen-
blick doch nicht verlassen wird". Dazu bemerkt die „Nordd. Allg.
Zeitung“:
„Die ganze Tendenz des langen Artikels der „Mosk. Ztg.“" kenn-
zeichnet sich in den Worten, daß Rußland Frankreich im kritischen Augen-
blick nicht verlassen werde; man ersieht daraus, was die russischen Panslavisten
wünschen und hoffen, und was man von ihnen zu erwarten hat; man wird
sich danach aber auch bei uns klar machen können, wie gänzlich unfruchtbar
alle Bemühungen sein würden, eine Partei zufrieden zu stellen, die sich durch
ein Organ wie die „Moskauer Zeitung“ vertreten läßt.
Der „Nowoje Wremja“, die anläßlich der Kaiserreise bemerkt
hatte: die Initiative zu dem Schritte sei nicht von St. Petersburg,
sondern von Berlin ausgegangen, und dies doch schon ein Beweis
dafür, daß man das Bedürfnis nach einer solchen Annäherung in
den höheren Regierungssphären Deutschlands stärker empfinde als
in St. Petersburg, erwidert die „Nordd. Allg. Ztg.“:
Die Initiative zu dem Besuche ist, wir wiederholen es, natür-
lich von Berlin ausgegangen, aber die Folgerung daraus, daß man das Be-
dürfnis nach einer Annäherung bei der Regierung Deutschlands stärker
empfinde, als in St. Petersburg, ist eine Überschätzung asiatischen Hochmuts
und asiatischer Unwissenheit."“
20. Juli. (Polen-Adresse, vgl. 2. August.) Die „Nordd.
Allg. Ztg.“ veröffentlicht den Wortlaut der Antwort des Staats-
Europ. Geschichtskalender. XXIX. Bd. 8